Genetische Risikofaktoren für den plötzlichen Herztod identifiziert
23.03.2009, Aktuelle Meldungen
Ein internationales Wissenschaftskonsortium mit Dr. Arne Pfeufer vom Institut für Humangenetik (Technische Universität München und Helmholtz Zentrum München) an der Spitze hat im menschlichen Genom häufig vorkommende Genvarianten identifiziert, welche die elektrische Aktivität des Herzmuskels beim Menschen beeinflussen und damit in Zusammenhang mit Herzrhythmusstörungen und plötzlichem Herztod gebracht werden können. Darauf aufbauend wollen die Wissenschaftler weitere Erkenntnisse über die Mechanismen der Krankheitsentstehung und damit Perspektiven für Früherkennung und Therapie gewinnen. Die Ergebnisse der genomweiten Studie werden in der renommierten Wissenschaftszeitschrift Nature Genetics veröffentlicht.
Zusammen mit Wissenschaftlern des internationalen Forschungskonsortiums QTSCD (QT-Interval-and-Sudden-Cardiac-Death) hat Dr. Arne Pfeufer vom Institut für Humangenetik der Technischen Universität München und des Helmholtz Zentrum München zehn Genvarianten identifiziert, die für ein erhöhtes Risiko für Herzrhythmusstörungen und den plötzlichen Herztod stehen. Im Zusammenspiel mit weiteren, bisher nicht entdeckten Faktoren beeinflussen diese Genvarianten die Erregungsrückbildung des Herzschlags und erhöhen beziehungsweise erniedrigen das Risiko für Herzrhythmusstörungen. Dafür untersuchten die Wissenschaftler die Elektrokardiogramme von mehr als 15.000 Personen aus Deutschland, Italien und den USA.
"Ein zweites Wissenschaftskonsortium, das QTGEN, ist zu nahezu identischen Resultaten gelangt wie wir", hebt Pfeufer hervor. So kann das Münchner Forscherteam um Prof. Thomas Meitinger, Institutsdirektor am Helmholtz Zentrum München und Inhaber des Lehrstuhls für Humangenetik an der Technischen Universität München sowie Privatdozent Dr. Stefan Kääb, Oberarzt am Klinikum der Universität München, Campus Großhadern, gemeinsam mit seinen italienischen und amerikanischen Kollegen sicher sein, dass ihr Ansatz richtig war und die Ergebnisse absolut zuverlässig sind.
"Als wichtiger Messwert für ein erhöhtes Risiko, Herzrhythmusstörungen zu bekommen, gilt dem Kliniker im EKG das QT-Intervall", erklärt Kääb. Das QT-Intervall beschreibt die Zeitspanne, die nötig ist, um den elektrischen Impuls in die Herzkammern zu schicken und sich anschließend wieder aufzuladen. Ein verlängertes QT-Intervall kann - in Abhängigkeit von der Grunderkrankung - das Risiko für Herzrhythmusstörungen und den plötzlichen Herztod um das bis zu Fünffache erhöhen.
Die Wissenschaftler fahndeten nicht nach seltenen Varianten, die nur wenige Menschen in sich tragen. Vielmehr richteten sie ihr Augenmerk auf häufige Genvarianten, die in jedem Menschen Einfluss auf die Länge seines QT-Intervalls nehmen können. Sie erhöhen das persönliche Krankheitsrisiko nicht als Einzelgene, sondern in ihrer individuellen Konstellation und im Kontext mit anderen Risikofaktoren wie Medikamenten oder Ischämie.
"Diese Form der genomweiten Suche nach häufigen Varianten für verbreitete Krankheitsbilder erweist sich für uns als ein sehr erfolgversprechender Ansatz, in bislang gänzlich unbekanntem Terrain fündig zu werden", beschreibt Meitinger die Methode. "Im Gegensatz zum Studium einzelner Gene bietet der genomweite Ansatz völlig neue Anhaltspunkte für die Erforschung so verbreiteter Krankheitsbilder wie dem plötzlichen Herztod."
Die Bereitstellung gut untersuchter bevölkerungsbezogener Probandendaten aus der KORA-Studienplattform unter Leitung von Prof. H.-Erich Wichmann, dem Direktor des Instituts für Epidemiologie am Helmholtz Zentrum München, bildete eine wesentliche Basis für die erfolgreiche Durchführung des Forschungsprojektes.
Das Vorhaben entstand aus einer langjährigen engen Kooperation zwischen Humangenetikern, Kardiologen, Epidemiologen und Informatikern des Klinikums rechts der Isar der Technischen Universität München, des Helmholtz Zentrums München und des Klinikums der Universität München (LMU), Campus Großhadern. Partner im QTSCD-Konsortium waren zudem Wissenschaftler der Heinz-Nixdorf Recall Studie in Essen sowie des Forschungszentrums Life & Brain der Universität Bonn. Die Leitung des Projekts hatte Prof. Aravinda Chakravarti von der John Hopkins Universität in Baltimore.
In einem nächsten Schritt sollen weitere Untersuchungen den Zusammenhang zwischen den neuen Genvarianten und dem plötzlichen Herztod bestätigen. "Wir wollen an einer großen Zahl von Patienten weitere Daten über das jeweilige individuelle genetische Risiko für Herzrhythmusstörungen sammeln und auswerten", sagt Kääb. Gemeinsames Ziel der Helmholtz-Wissenschaftler und ihrer klinischen Partner ist es, dadurch weitere Erkenntnisse über die Mechanismen der Krankheitsentstehung und damit Perspektiven für eine verbesserte Risikoerkennung und erfolgreichere Therapie zu gewinnen.
Die Studie wurde auf deutscher Seite im Rahmen des Nationalen Genomforschungsnetzes (NGFN) vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Hinzu kamen Mittel aus der Exzellenzinitiative der Ludwig-Maximilians-Universität München sowie der französischen Leducq Foundation zur Bekämpfung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Das Institut für Humangenetik der Technischen Universität München und des Helmholtz Zentrum München (Direktor: Prof. Dr. Thomas Meitinger) beschäftigt sich mit der Identifizierung von Erkrankungsgenen und deren funktioneller Charakterisierung. Im Mittelpunkt der Forschungsprojekte stehen genomweite DNA- und RNA-Untersuchungen, durchgeführt zur Aufklärung der genetischen Ursachen komplexer Erkrankungen vor allem auf dem Gebiet der Neurologie und der Kardiologie. Ein weiterer Schwerpunkt ist die systemische Analyse des Zusammenwirkens von genetischer Varianz und Umweltfaktoren über proteomische Methoden.
Originalpublikationen:
QTSCD-Konsortium: Pfeufer, A. et al.: Common variants at ten loci modulate the QT interval duration in the QTSCD Study. Nature Genetics online -Veröffentlichung 22 March 2009 (DOI 10.1038/ng.362)
QTGEN-Konsortium: Newton-Cheh, C. et al.: Common variants at ten loci influence QT interval duration in the QTGEN Study. Nat. Genet. advance online publication 22 March 2009 (DOI: 10.1038/ng.361
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