IGSSE Team arbeitet in Kooperation mit der Stanford University und der NASA
TUM Wissenschaftler forschen am Nachfolger für das Space Shuttle
14.11.2008, Pressemitteilungen
Am 14. November startet das Space Shuttle Endeavor vom Kennedy Space Center um ein Logistikmodul zur Internationalen Raumstation zu transportieren. Doch seit Präsident Bush 2004 das neue Raumfahrtprogramm der USA angekündigt hat, ist klar, dass das Shuttle ein Auslaufmodell ist, und dass ab 2010 ein Nachfolger ins All starten muss. Daher wird mit Nachdruck an einer Alternative geforscht, und das nicht nur bei der NASA. Ein Team der International Graduate School of Science and Engineering (IGSSE) der TU München, das in Kooperation mit der Stanford University der NASA zur Hand geht, beteiligt sich an der Forschungsarbeit. Im Projekt, welches Dr. Christian Stemmer vom Lehrstuhl für Aerodynamik leitet, werden die physikalischen Rahmenbedingungen für ein neues Hitzeschutzschild für das Raumfahrzeug der nächsten Generation geschaffen.
Das Gewicht ist eine der Variablen, die bei der Entwicklung eines Raumfahrzeuges berücksichtigt werden müssen. Es spielt eine große Rolle, denn jedes überschüssige Gramm muss in den Weltraum transportiert werden. Steigt das Gewicht, vervielfacht sich auch der Treibstoffbedarf. Doch stößt man hier an eine physikalische Grenze. Denn auch der Treibstoff hat ein Eigengewicht, das es zu transportieren gilt. Um genug Personen und Versorgungsgüter mitnehmen zu können, kommt es demnach auf jedes Gramm an, das eingespart werden kann. Ist ein Raumfahrzeug zu schwer, bekommt man plötzlich nur noch zwei, statt der eigentlich gewollten vier Astronauten unter.
Beim Hitzeschild, das das Raumfahrzeug ummantelt, sehen die Forscher eine Möglichkeit an Gewicht zu sparen. Die Aufgabe eines solchen Schildes ist, das Raumfahrzeug beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre vor den dabei entstehenden hohen Temperaturen zu schützen. Hier werden extreme Geschwindigkeiten über 30 000 km/h erreicht. Diese Energie kann nur durch Reibung des Raumfahrzeugs an der Lufthülle abgebaut werden. Es muss 2000 mal so viel abgebaut werden, wie bei der Vollbremsung eines ICEs von Höchstgeschwindigkeit. Dabei werden an den Vorderseiten Lufttemperaturen um das Raumfahrzeug von mehreren Tausend Grad erreicht. Die Oberfläche, also das Hitzeschutzschild, heizt sich mit der Zeit auf Temperaturen bis zu 2000 Grad auf, ohne dass die tragende Struktur darunter in Mitleidenschaft gezogen werden darf. Ein Loch im Hitzeschutzschild hatte 2003 zum Absturz des Space Shuttles ‚Columbia‘ geführt.
Viele Projekte in der Raumfahrt starteten in den 60er und 70er Jahren und wurden durch den Kalten Krieg schnell vorangetrieben. „Damals hatte man, aufgrund des Wettlaufs zum Mond zwischen USA und Russland, weder die Zeit alles vorher genau zu testen, noch die Berechnungsmöglichkeiten, die wir heute haben. Das Ziel, vor den Russen auf dem Mond zu sein war wichtiger als ein Sicherheitsniveau, wie es heute gewährleistet werden kann,“ erklärt Stemmer. Seit 2001 forscht er an dem Thema, das seit der Bewilligung durch die International Graduate School of Science and Engineering (IGSSE) in der Exzellenzinitiative zusätzlich gefördert wird. Ziel der Graduiertenschule ist es unter anderen auch, Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen zusammenzubringen und eine Plattform für interdisziplinäre Forschung zu schaffen.
So ist das auch in der Arbeitsgruppe von Herrn Stemmer. „Neben der Aerodynamik, spielt auch die Chemie eine ganz entscheidende Rolle,“ so Stemmer, „denn die aufgeheizten Moleküle reagieren miteinander und verbrauchen dadurch zusätzliche Energie. Auf diesem Weg können wir die Temperaturen genauer simulieren und das Hitzeschild damit verbessern.“ Eine ganz entscheidende Rolle spielen bei der Optimierung auch Hindernisse auf der Oberfläche, denn jedes führt dazu, dass sich die Luft aufstaut und aufheizt, das können überstehende Befestigungselemente oder aufstehende Dichtungen sein. Experimente sind bei solchen Geschwindigkeiten kaum möglich, da hilft nur der Rechner. Bei früheren Missionen hat man festgestellt, dass an Befestigungselementen das Hitzeschild nach dem Wiedereintritt stark abgebrannt war, an anderen Stellen aber kaum in Mitleidenschaft gezogen wurde. „Jetzt wissen wir auch warum, und können in Zukunft an manchen Stellen die Dicke des Schildes erhöhen und an manchen verringern – je nach Bedarf,“ sagt Stemmer.
Das Team um Stemmer betreibt auf dem Gebiet Grundlagenforschung, die nicht nur in Hinblick auf den Widereintritt in die Erdatmosphäre nutzbringend ist. Denn ist die Zusammensetzung der Atmosphäre eines beliebigen Planeten bekannt, kann mit den Ergebnissen der atmosphärische Eintritt für diesen simuliert und berechnet werden. Der Grund dafür ist, dass die physikalischen Gesetze überall gleich sind, nur die Molekülzusammensetzung und die Dichte unterscheiden sich von den Bedingungen auf der Erde. Schon seit längerer Zeit sind bemannte Missionen zum Mars geplant. Hier müssen ebenfalls neue Raumfahrzeuge entwickelt werden, die genau auf die Bedürfnisse der Mission abgestimmt sind. Die Entwickler profitieren von der Forschung der TUM, denn auch hier gilt die goldene Regel: je weniger Masse, desto besser.
Die International Graduate School of Science and Engineering (IGSSE) ist eine Einrichtung der Technischen Universität München (TUM). Gegründet wurde sie im Rahmen der Exzellenzinitiative des Bundes und der Ländern im Jahr 2006. Ziel der Graduate School ist die Förderung von interdisziplinärer Spitzenforschung im Bereich der Natur- und Ingenieurwissenschaften sowie der Medizin. Neben der Finanzierung von Nachwuchsgruppen setzt die IGSSE auf die individuelle Förderung von Doktorandinnen und Doktoranden. Inzwischen haben 30 interdisziplinäre Projektteams mit insgesamt 132 Doktoranden (davon 50 Stipendiaten), 27 Projekt Team Leader und 60 Principal Investigator ihre Arbeit unter dem Dach der IGSSE aufgenommen.
Kontakt:
Dr.-Ing. Christian Stemmer
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eMail: christian.stemmer@aer.mw.tum.de
Kontakt: presse@tum.de
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https://www.igsse.tum.de/project/202-re-entry-aerothermodynamics/about.html