Anbindehaltung von Pferden
Mehr Bewegungsfreiheit für Partner Pferd
17.01.2003, Pressemitteilungen
In ganz Deutschland findet der Reitsport immer mehr Anhänger. Doch mit der Unterbringung der vierbeinigen Partner steht es oftmals nicht zum Besten: Noch immer haben viele Pferde keine eigene Box, in der sie sich frei bewegen können, sondern stehen im engen Ständer - angebunden zwischen zwei seitlich hochgezogenen Trennwänden.
In der Fachwelt und Praxis gilt die dauerhafte Anbindehaltung von Pferden zwar allgemein als überholt, doch ist sie, in regional unterschiedlicher Häufigkeit, noch immer zu finden. In Hessen beispielsweise wurde sie bereits 1998 verboten. Mit der noch unbeantworteten Frage, ob diese Haltungsform für Pferde unter heutigen Tierschutzaspekten noch als tiergerecht angesehen werden kann, hat sich die Agrarwissenschaftlerin Stephanie Buschmann in ihrer Diplomarbeit "Zur Tiergerechtheit der Ständerhaltung von Pferden aus der Sicht der Ethologie" befasst, die sie am Lehrgebiet für Tierhaltung und Verhaltenskunde des Wissenschaftszentrums Weihenstephan der TU München unter Leitung von Dr. Margit H. Zeitler-Feicht durchgeführt hat. Diese Arbeit wurde mit dem Schweisfurth-Forschungspreis für artgemäße Nutztierhaltung 2002 ausgezeichnet.
An 74 Pferden aus 16 Ställen wurden Haltungsdaten erhoben und Verhaltensbeobachtungen durchgeführt. Kriterien waren Betriebsform, Aufstallung, Pferdebestand, Management, Hygienemaßnahmen und Fütterung sowie Bewegungsmöglichkeiten, Verhaltensauffälligkeiten, Krankheiten und Unfälle in der jeweiligen Pferdehaltung. Sie wurden einerseits von den Betriebsleitungen erfragt, andererseits selbst überprüft. Zusätzlich erhob Stephanie Buschmann technische Daten zu Faktoren wie Abmessungen der Stallgebäude, Fensterflächen, Ständer, Größe der Pferde, Anbindung, Fütterungs- und Tränkeinrichtungen. An je drei Pferden pro Stall beobachteten sie über sechs Stunden am Tag essentielle Verhaltensweisen des Sozial-, Bewegungs-, Fress-, Ruhe-, Komfort- und Erkundungsverhaltens sowie Verhaltensauffälligkeiten. Ergänzend überwachten sie vier Pferde an jeweils drei Tagen über 24 Stunden mittels Video. Als Kontrollgruppe dienten unter naturnahen Bedingungen gehaltene Pferde.
Beurteilt wurden die Haltungsdaten unter dem Aspekt der Tiergerechtheit anhand der "Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutzgesichtspunkten" des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (BMVEL) und der "Mindestanforderungen an die Sport- und Freizeitpferdehaltung" der tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz. Hinsichtlich der dort gestellten Anforderungen deckte Stephanie Buschmann gravierende Mängel auf. So waren 68 Prozent der Ständer zu schmal, 38 Prozent zu kurz - die Tiere konnten sich nur unter Schwierigkeiten oder gar nicht hinlegen. Zudem macht kein Regelwerk verbindliche Angaben zur Art der Anbindung, weshalb jeder Betrieb hier nach Gutdünken vorging - mit dem Ergebnis, dass fast 30 Prozent der Anbindungen zum Teil erhebliche Mängel aufwiesen. Folge: Die Tiere konnten bei "zu kurzer Anbindung nach unten" nur erschwert fressen und lediglich mit hochgezogenem Kopf liegen; die "zu kurze Anbindung nach oben" schränkte Sozialkontakt, Erkundungs- und Komfortverhalten erheblich ein. Erschreckend war das mangelhafte Bewegungsangebot: Fast 70 Prozent der Tiere konnten sich nicht wenigstens einmal täglich außerhalb des Ständers bei Koppelgang oder Arbeit bewegen, nur zehn Prozent hatten täglich freie Bewegung. Besonders im Winterhalbjahr gab es gravierende Defizite. Alarmierend war der hohe Anteil an verhaltensgestörten Pferden; über die Hälfte wies mindestens eine Verhaltensstörung auf - die Literatur nennt für Pferde in menschlicher Obhut einen Anteil von durchschnittlich 1 bis 15 Prozent. Auch die drei Kontrollgruppen der Studie zeigten keine Verhaltensanomalien.
Pferde dauerhaft angebunden zu halten, steht grundsätzlich im Widerspruch zu den Kriterien einer verhaltensgerechten Pferdehaltung, wie sie das Tierschutzgesetz fordert. Das Bewegungsbedürfnis der Tiere ist erheblich eingeschränkt, ihr Bedürfnis nach Sozialkontakt, Körperpflege, Erkundung und das Liegen in der Seitenlage - zum Tiefschlaf unerlässlich - weitestgehend unterbunden. Diese grundsätzlichen Befunde hat die an der TUM durchgeführte Studie bestätigt. Darüber hinaus beweist der hohe Anteil verhaltensgestörter Tiere die unzureichende Tiergerechtheit der Anbindehaltung. Die Arbeit weist somit nach, dass diese nach wie vor anzutreffende Art der Haltung die Pferde in deren angeborenen Verhaltensweisen erheblich einschränkt und daher nicht als tiergerecht bezeichnet werden kann.
Außerdem zeigt die Studie, dass auch die Leitlinien zur Pferdehaltung, die das (BMVEL) herausgegeben hat, in zentralen Punkten unzureichend sind. Da auch deren Überarbeitung die Situation wegen des hohen Aufwands der notwendigen Kontrollen durch Amtstierärzte nur bedingt verbessern würde, setzen sich die TUM-Wissenschaftler für ein bundesweites absolutes Verbot der dauerhaften Anbindehaltung ein. Vom Amtstierarzt zu genehmigende Ausnahmen, etwa für Militär- und Polizeipferde mit täglich mehrstündigem Arbeitseinsatz, wären möglich.
P.S.: Schöner Erfolg für Stephanie Buschmann: Ihre Arbeit hat dazu geführt, dass in Schleswig-Holstein und Thüringen die dauerhafte Anbindehaltung von Pferden mittlerweile verboten ist. Weitere Verbotsanträge werden zur Zeit geprüft.
Kontakt: presse@tum.de