MS-Medikament reduziert schädliche Abwehrzellen
08.04.2011, News
Neurologen der TU München haben herausgefunden, dass ein kürzlich zugelassenes Medikament gegen Multiple Sklerose nicht nur die krankheitsauslösenden Abwehrzellen im Blut verringert, sondern auch in der Gehirn-Rückenmarksflüssigkeit (Liquor) wirkt. Damit konnten die Forscher einerseits den Wirkmechanismus des Medikaments nachvollziehen. Andererseits plädieren sie aufgrund ihrer Forschungsergebnisse für Langzeituntersuchungen, um schädliche Langzeit-Nebenwirkungen aufzudecken.
Fingolimod, ein Medikament, das kürzlich als erste MS-Pille in der EU zugelassen wurde, beeinflusst maßgeblich die Verteilung der weißen Blutkörperchen im Blut. Bisher war jedoch unbekannt, ob die Substanz seine Wirkung auch in der Gehirn-Rückenmarksflüssigkeit (Liquor) entfaltet. Einer Forschergruppe um Professor Bernhard Hemmer ist es nun gelungen, diesen Nachweis zu erbringen. „Damit steht fest, dass Fingolimod einen ähnlichen Effekt auf Immunzellen im Liquor hat wie Natalizumab“, sagt Hemmer, der die Neurologische Klinik des Klinikums rechts der Isar der TU München leitet.
Fingolimod (FTY) bindet an den sogenannten Sphingosin-1-Phosphatrezeptor, und sorgt so dafür, dass aktivierte T- und B-Zellen am Auswandern aus den Lymphknoten gehindert werden und es damit zu einer Umverteilung der Immunzellen aus dem Blut in die lymphatischen Organe kommt. Fehlgeleitete T- und B-Lymphozyten gelten als möglicher Auslöser für die Zerstörung der Myelinschicht der Nervenzellen bei MS-Patienten.
Fingolimod beeinflusst Immunzellen im Zentralen Nervensystem
Hemmers Team hat nun gezeigt, dass FTY die Zahl von Immunzellen im Liquor deutlich reduziert. Dies trifft insbesondere für die der CD4 T-Zellen zu, wenngleich die Effekte geringer sind als im Blut. Die Wirkung der Substanz auf andere Immunzellen in der Gehirn-Rückenmarksflüssigkeit wie zum Beispiel B-Zellen, Monozyten oder natürliche Killerzellen fiel hingegen weniger deutlich aus. „Dennoch wird durch die Einnahme des Medikaments das Immunsystem im Zentralen Nervensystem eindeutig verändert. Die Zellzusammensetzung im Liquor von FTY-behandelten Patienten ist durchaus mit den Veränderungen vergleichbar, die man unter Natalizumab beobachtet hat. Dies könnte darauf hindeuten, dass auch durch Fingolimod Patienten anfälliger für Infektionen des Gehirns werden“, erläutert Hemmer.
Herpesvirus-Aktivierung im Liquor durch Fingolimod nicht die Regel
So sind in der Transforms Studie, eine der beiden Phase-III-Studien zur Zulassung von Fingolimod, zwei Todesfälle in Folge von Herpesvirusinfektionen aufgetreten. Allerdings wurden diese Patienten mit einer höheren Dosis behandelt als die jetzt für die Zulassung vorgesehene. Aus diesem Grund testeten die Forscher auch, ob es bei FTY-behandelten Patienten möglicherweise zu einer Antikörperreaktion gegen Herpes Viren oder sogar zu einer Freisetzung von Viren im Liquor kommt. Das konnte nicht bestätigt werden. „Wir gehen daher davon aus, dass bei der Mehrzahl der Patienten keine Aktivierung von Herpesvirus im Gehirn auftritt“, meint Hemmer. „Das Kompetenznetz Multiple Sklerose plädiert dennoch dafür, zügig ein engmaschiges Sicherheitsmonitoring für Fingolimod zu etablieren, um frühzeitig mögliche Langzeitrisiken der Substanz zu erkennen“, erklärt der KKNMS-Experte abschließend.
Die Studie wurde im Rahmen des Krankheitsbezogenen Kompetenznetzes Multiple Sklerose (Forschungsverbund CONTROLMS) vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert, Prof. Bernhard Hemmer ist Vorstandsmitglied des KKNMS.
Originalpublikation:
„Neurology“ (April) „Differential effects of fingolimod on immune cells in the CSF and blood of patients with MS“
(DOI 10.1212/WNL.0b013e3182143564).
Kontakt: presse@tum.de