Mikroben lassen Schulkinder durchatmen:
Bakterien und Pilze schützen vor Asthma
24.02.2011, Aktuelle Meldungen
Die Häufigkeit von Asthma im Kindesalter nimmt europaweit zu. Aber es gibt Ausnahmen: Verschiedene Studien zeigten in den letzten Jahren, dass Bauernhofkinder deutlich seltener unter Asthma leiden als andere Kinder. Den Grund dafür deckte nun ein internationales Wissenschaftlerteam unter Beteiligung der TU München mit Hilfe epidemiologischer Studien auf: Das niedrigere Asthmarisiko von Bauernhofkindern kann zu einem großen Teil durch die höhere Vielfalt an Umweltmikroorganismen erklärt werden, denen diese Kinder ausgesetzt sind. Welche Mechanismen dabei eine Rolle spielen ist zwar noch unklar, aber die Forscher haben bereits einige Keime identifiziert, die für das geringere Asthmarisiko verantwortlich sein könnten. Dieses Ergebnis könnte auch für die Vorbeugung von Asthma bei anderen Bevölkerungsgruppen von Bedeutung sein, wie die Forscher im New England Journal of Medicine berichten.
Asthma gehört in Europa zu den wichtigsten chronischen Krankheiten im Kindesalter, Asthmatiker leiden oft ein ganzes Leben lang an ihrer Krankheit. Daher kommt Asthma eine besondere gesellschaftliche und gesundheitspolitische Relevanz zu. Verursacht wird die Krankheit durch eine Kombination genetischer und umweltbedingter Faktoren, wobei verschiedene Studien der letzten Jahre ergaben, dass Bauernkinder ein deutlich niedrigeres Asthmarisiko haben als andere Kinder. Um der Ursache dieses Phänomens auf den Grund zu gehen, untersuchten Forscher der Ludwig Maximilians-Universität München (LMU) nun Schulkinder in Bayern. Im Rahmen der beiden großen europäischen Epidemiologiestudien GABRIEL und der PARSIFAL verglichen Mediziner um Dr. Markus Ege und Prof. Erika von Mutius vom Dr. von Haunerschen Kinderspital der LMU Kinder, die auf einem Bauernhof lebten, mit anderen Kindern aus denselben ländlichen Regionen, die allerdings nicht auf einem Bauernhof lebten.
Das Besondere an der neuen Untersuchung: Die Wissenschaftler beschränkten sich auf Innenräume und untersuchten den Staub aus den Kinderzimmern auf Pilze und bakterielle DNA. Der Lehrstuhl für Tierhygiene der Technischen Universität München (TUM) übernahm in diesem Zusammenhang die Untersuchung auf Bakterien: Die TUM-Forscher analysierten mit Hilfe einer modernen molekularbiologischen Methode die bakterielle Diversität von Matratzenstaubproben als Indikator für die Exposition. Das Ergebnis: Es stellte sich heraus, dass Bauernhofkinder im Vergleich zu anderen Kindern mit einer weitaus größeren Auswahl an Bakterien in Kontakt kommen und vermutlich als Folge davon seltener an Asthma erkranken. Eine auf statistischen Auswertungen basierende Identifizierung der Keime ergab, dass vor allem Bakterien aus der Familie der Staphylococcaceae sowie Vertreter der Gattungen Bacillus, Listeria, Corynebacterium, Methylobacter, Xanthomonas, Enterobacter und Pantoea dazu beitragen könnten, das Asthmarisiko zu reduzieren.
Für Pilze im Staub, die von einem anderen Forscherteam untersucht wurden, ergab sich ein ähnliches Bild. Zusammenfassend lässt sich also sagen: Je vielfältiger der Mikrozoo im Hausstaub war, desto geringer war das Asthma-Risiko. Auf welche Weise diese Keime das Asthmarisiko senken, ist aber noch unklar. Die Wissenschaftler halten verschiedene Erklärungen für denkbar. „Eine Möglichkeit wäre, dass die Kombination bestimmter Umweltkeime das angeborene Immunsystem anregt und eine Asthma begünstigende Immunlage dadurch verhindert wird", erklärt Ege. Eine andere Erklärung könnte darin liegen, dass die Auseinandersetzung mit vielfältigen Umweltmikroorganismen die übermäßige Besiedelung der unteren Atemwege mit Asthma auslösenden Keimen verhindert - ähnlich wie im Darm, der für eine reibungslose Funktion auch eine ausgewogene Keimflora benötigt.
Mikrobielle Vielfalt allein reicht vermutlich allerdings nicht aus, um Asthma zu verhindern. Wahrscheinlich ist es eine Kombination spezifischer Arten, die eine Schutzwirkung entfalten kann. „Im gesamten untersuchten Spektrum fanden sich einige Keime, die besonders interessant sein könnten", berichtet Ege, „dazu gehören außer bestimmten Bazillen und Staphylokokken - etwa die Art Staphylococcus sciuri - auch Schimmelpilze der Gattung Eurotium.“ Die nächste Herausforderung für die Wissenschaftler ist es nun, den Zusammenhang zwischen der Präsenz von Mikroben im Hausstaub und dem Schutz vor Asthma artspezifisch zu untersuchen - und so auf lange Sicht unter den Kandidaten die Keime zu finden, die für einen potenziellen Impfstoff in Frage kommen.
Federführend beteiligt waren an der Studie neben den LMU-Wissenschaftlern auch Forscher der TU München, der Universitäten Besançon (Frankreich), Marseille (Frankreich), Ulm, Basel (Schweiz), Utrecht (Niederlande) und des Imperial College London (Großbritannien). Die Arbeiten wurden von der Europäischen Kommission (GABRIEL- und PARSIFAL-Studie) und im Rahmen des Sonderforschungsbereichs Transregio 22 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Publikation:
"Exposure to Environmental Microorganisms and Childhood Asthma", Markus J. Ege et.al. New England Journal of Medicine online, 24. Februar 2011
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