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Entdecker des Mößbauer-Effekts wird 80

Nobelpreisträger Prof. Dr. Rudolf Mößbauer

30.01.2009, Pressemitteilungen

Auch nach 50 Jahren ist die 1958 publizierte Entdeckung des Physikers Rudolf Mößbauer noch immer aktuell: Überall auf der Erde und sogar auf dem Mars wird die von ihm entwickelte Methode der rückstoßfreien Kernresonanz-Absorption eingesetzt. Am 31. Januar wird Mößbauer 80 Jahre alt. Professor Wolfgang A. Herrmann gratuliert und würdigt das langjährige Wirken des Nobelpreisträgers für die Technische Universität München.

Wenn man der Kristallstruktur des Hämoglobins glaubt, könnten Sauerstoff und Eisenatom nicht zusammen kommen. Und doch ist der Komplex aus Eisen und Sauerstoff die chemische Reaktion, die uns alle am Leben erhält, indem das Hämoglobin den an das Eisenatom fixierten Sauerstoff von der Lunge in die Körperzellen transportiert. Mit der von Mößbauer entwickelten Spektroskopie kann man zeigen, dass das Sauerstoffatom tatsächlich an das Eisen gebunden ist, und man kann zeigen, wie beweglich das Hämoglobin ist. Bei diesen Bewegungen öffnen sich Kanäle, durch die der Sauerstoff dann doch zum Eisen gelangt.

Die Mößbauer-Spektroskopie wird in vielen Bereichen der Forschung eingesetzt. Mit ihrer Hilfe werden Katalysatoren weiter entwickelt und Supraleiter untersucht. Auch die jüngst auf dem Mars gelandeten Roboter „Spirit“ und „Opportunity“ haben unter anderem Mößbauer-Spektrometer an Bord. Mit diesen entdeckten die Rover auf ihren kilometerlangen Touren unter anderem Minerale, die nur in Gegenwart von Wasser entstehen und konnten so beweisen, dass es auf dem Mars einst nicht nur Wasser sondern auch eine viel sauerstoffreichere Atmosphäre als heute gegeben haben muss.

Den Mößbauer-Effekt erklärt Physiker-Kollege Francisco E. Fujita so: Will ein Junge von einem kleinen Boot an Land springen, so landet er im Wasser, weil das Boot durch den Rückstoß beim Absprung nach hinten weg fährt. Liegt das Boot in einem zugefrorenen See, so kann das Boot nicht weg und der Junge landet sicher am Ufer. Mößbauer nahm statt eines Bootes Iridium-191-Atome, die Gammastrahlung aussenden. Wie der Junge überträgt das davon eilende Gamma-Teilchen einen gewaltigen Stoß auf das Atom und verliert dabei etwas Energie. Ist das Atom fest in einen Kristall eingebaut, geht es dem Lichtteilchen unter bestimmten Bedingungen wie dem Jungen auf dem zugefrorenen See: Es kann seine ganze Energie mitnehmen. Trifft es nun auf ein exakt gleichartiges Atom, kann es diese Energie übertragen.

Auch die Mößbauer-Spektroskop nutzt diesen Effekt: Um die chemische Bindung des Eisenatoms in unserem roten Blutfarbstoff zu untersuchen, benutzt man Kobalt-57, das bei seiner Umwandlung in Eisen-57 Gamma-Strahlung aussendet. Doch die Eisenatome im Hämoglobin und in der Gamma-Quelle haben unterschiedliche chemische Umgebungen. Der winzige Unterschied reicht aus, um die Energieübertragung vom Gamma-Teilchen zum Eisenatom in der Probe zu verhindern.

Mößbauer fand nun heraus, wie man, wie beim Radio, Sender und Empfänger wieder aufeinander einstimmen kann. Dazu nutzte er den Doppler-Effekt: Das Martinshorn eines auf uns zu rasenden Feuerwehrautos klingt zunächst höher, und wenn das Fahrzeug an uns vorbei gefahren ist tiefer. Genau das realisierte Mößbauer in seinem Versuchsaufbau: Indem er die Gammastrahlenquelle mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten auf die Probe zu oder von ihr weg bewegte, konnte er genau ermitteln, bei welcher Geschwindigkeit wieder eine Absorption eintrat. Und indem er diese Geschwindigkeiten in Energien umrechnete, konnte er sagen, wie das Eisen im Hämoglobin gebunden war.

Rudolf Mößbauer und die Technische Universität München

Zum Physikstudium inspiriert hatten den 1929 in München geborenen Mößbauer häufige Besuche im Deutschen Museum. 1949 begann er sein Physikstudium an der Technischen Hochschule München, der heutigen TU München, und schloss es 1955 bei Prof. Heinz Maier-Leibnitz ab. Unter seiner Obhut machte Mößbauer im Rahmen seiner Doktorarbeit die entscheidenden Entdeckungen, die 1961 mit dem Nobelpreis gewürdigt wurden: Am Max-Planck-Institut für Medizinische Forschung in Heidelberg gelangen ihm die ersten Beobachtungen der rückstoßfreien Kernresonanz-Absorption. 1958 promovierte er bei Maier-Leibnitz an der Technischen Hochschule München mit dem Thema "Kernresonanz-Fluoreszenz von Gammastrahlen in Iridium-191".

Ausgerechnet bei Iridium-191, dem zuerst untersuchten System, sind die zu messenden Effekte extrem klein. Es ist Mößbauers wissenschaftlicher Akribie zu verdanken, dass er die beobachteten Abweichungen nicht einem Messfehler zuschrieb und an dieser Stelle aufhörte. Nachdem er den Effekt entdeckt hatte, wurde sehr schnell klar, dass er bei Eisen-57 viel besser zu messen ist. Noch heute ist die Mößbauer-Spektroskopie die wichtigste Methode, um die chemische Bindung des Eisens in verschiedensten Umgebungen zu charakterisieren.

Mit 32 Jahren war Mößbauer einer der jüngsten Nobelpreisträger überhaupt. Zu dieser Zeit forschte er in den USA am California Institute of Technology, wo er bis heute Mitglied der Fakultät ist. Es folgten ungezählte Ehrungen und Mitgliedschaften in den renommiertesten wissenschaftlichen Organisationen der ganzen Welt. Ende 1964 folgte Mößbauer jedoch dem Ruf an die TU München und wurde Direktor des neuen Physik-Departments.

Obwohl von eher zurückhaltender Natur, kritisierte Mößbauer immer wieder die fehlende Freizügigkeit an deutschen Universitäten. Zur Bedingung seiner Rückkehr nach Deutschland machte er, dass die Fakultät für Physik völlig neu nach amerikanischem Muster organisiert wurde. Die Department-Struktur mit gleichrangigen Professoren, aus deren Mitte ein Direktorium gewählt wurde, sollte für Dynamik in der Forschung sorgen.

„Mößbauer hielt in seiner aktiven Zeit an der TU München brillante Vorlesungen,“ sagt Prof. Parak, der bei ihm seine Doktorarbeit anfertigte und sich habilitierte. „Faszinierend war dabei nicht nur seine glasklare Art zu Denken, sondern auch die perfekte didaktische Vorbereitung. Es war ein Genuss, diese Vorlesungen anzuhören.“

Für viele Kollegen überraschend wandte sich Mößbauer Anfang der 70er Jahre von der weiteren Erforschung des von ihm entdeckten Effekts ab. Als er 1972 zum Nachfolger von Maier-Leibnitz als zweiter Direktor des Instituts Laue Langevin in Grenoble berufen wurde, begann er sich für die Neutrinophysik zu engagieren. Im physikalischen Standardmodell, auf dem praktisch die gesamte Physik aufbaut, wird angenommen, dass Neutrinos ähnlich wie Licht keine Masse haben. Einige Experimente sprachen aber gegen diese Annahme, und das faszinierte Mößbauer. Im Jahre 1977 kehrte er an die TU München zurück und baute auch hier bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1997 eine international anerkannte Neutrinoforschung auf.

Die Förderung der internationalen Zusammenarbeit war für ihn immer ein wichtiges Anliegen. Selbst zu den finstersten Zeiten des kalten Krieges, als viele seiner amerikanischen Kollegen eine Einladung nach Russland ablehnten, reiste er mit einer Delegation in die damalige Sowjetunion. Nachdem er aus den USA wieder an die TU München zurückgekehrt war, organisierte er regelmäßige Treffen mit amerikanischen und russischen Wissenschaftlern, um den wissenschaftlichen Austausch zu fördern und lud immer wieder Gastwissenschaftler nach Garching ein, die dann in seiner Arbeitsgruppe forschten.

„Mößbauers international hoch angesehenes Wirken hat entscheidend dazu beigetragen, dass die TU München heute eine der führenden europäischen Universitäten ist,“ sagt TUM-Präsident Prof. Wolfgang A. Hermann. „Mit der Bescheidenheit, die eine wahrhaft große Persönlichkeit ausmacht, hat er weit über seine aktive Zeit an der Universität hinaus der Wissenschaft und ihrem Fortschritt gedient.“ Dass der Mößbauer-Effekt auch heute noch hochaktuell ist und weltweit Anwendung findet, zeigte die Tagung „50 years after – The Mössbauer effect today and in the future“, die am 9. und 10. Oktober 2008 an der Physik-Fakultät der TU München stattfand. 150 internationale Wissenschaftler kamen dazu nach Garching.

Links:

Konferenz „50 years after – The Mössbauer effect today and in the future“

Interview mit Prof. Mößbauer (Video, 2000)

Website mit Informationen zum Mößbauer-Effekt (engl.)

Bildmaterial:

Aufnahmen eines der beiden Mars-Rover, der ein Mößbauer-Spektroskop (kleiner Kasten auf der rechten Seite des Auslegers) zur Untersuchung der Mineralien der Marsoberfläche mitführt: Link

Kontakt:

Prof. Dr. Fritz G. Parak
Technische Universität München
Department Physik
James Franck Str. 1
85748 Garching
Tel.: 089-289-12551
Fax: 089-289-12548
E-Mail: Fritz.Parak@ph.tum.de
Internet: www.ph.tum.de

Kontakt: presse@tum.de

Mehr Information

090131_moessbauer_80_pi Presseinformation zum 80. Geburtstag von Prof. Mößbauer, (Type: application/pdf, Größe: 255.5 kB) Datei speichern

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