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Physiologie im Feldversuch

Was passiert, wenn Wildschwein und Damhirsch gentechnisch veränderten Mais naschen?

Wildschwein (Bild: iStockphoto.com / Anita Huszti)

26.10.2009, Pressemitteilungen

Hirschgulasch, Wildschweinbraten, Rehragout – im Herbst hat Wildfleisch in allen Variationen bei den Feinschmeckern Saison. Seit allerdings weltweit immer mehr gentechnisch veränderter Mais angebaut wird, ist kritischen Verbrauchern der Appetit etwas vergangen. Schließlich wusste man bislang nicht, wie Wildtiere transgenen Mais verdauen und ob sich Reste nicht etwa im Fleisch ablagern. Molekularbiologen der Technischen Universität München (TUM) können diese Sorge jetzt entkräften - und die Sorge über eine ungewollte Ausbreitung von gentechnisch verändertem Mais per Wildtierkot auch.

Vor einigen Wochen konnte man es noch beobachten: Ganze Wildschwein-Großfamilien wühlen im Frühherbst auf dem Maisfeld und lassen sich die Kolben schmecken. Für heimische Wildtiere ist Mais eine energiereiche Delikatesse, daher kommt er auch gezielt bei der Winter- und Ablenkfütterung zum Einsatz. In Zeiten, in denen die Anbaufläche von GM-Mais (GM = genetically modified) auf der ganzen Welt stetig zunimmt, diskutieren Biologen aber eine heiß umstrittene Frage: Was passiert, wenn ein Wildschwein im transgenen Maisfeld nascht oder wenn Damhirsche im Winter mit importiertem GM-Mais gefüttert werden? Molekularbiologen der TUM können darauf jetzt die Antwort geben.

Gefördert vom Bundesamt für Naturschutz, hat ein Forscherteam der TU München im Detail untersucht, wie Damhirsche (Dama dama) und Wildschweine (Sus scrofa) den GM-Mais verstoffwechseln und ob über ihren Kot womöglich keimfähiges transgenes Saatgut ungewollt in der Landschaft verteilt wird. Die Wissenschaftler um Prof. Heinrich H.D. Meyer vom Lehrstuhl für Physiologie fütterten dazu im Freigehege lebende Damhirsche und aufgestallte Wildschweine jeweils über mehrere Wochen hinweg gezielt mit gentechnisch verändertem Häcksel- und Körnermais. Die zugehörige Vergleichsgruppe bekam über den gleichen Zeitraum konventionellen Mais zu fressen. Währenddessen sammelten die Forscher Kotproben bei jeder Tiergruppe, um ihn später auf Keimfähigkeit zu analysieren.

Nach Abschluss des Versuchs nahmen die TUM-Physiologen bei allen Wildtieren mehrere Proben: aus dem Verdauungstrakt, aus sämtlichen inneren Organen, Blut sowie aus dem Muskelfleisch und anderen Geweben. Dann suchten sie mithilfe von immunologischen Verfahren und der Polymerasekettenreaktion nach transgenen Komponenten. Fündig wurden sie nur im Verdauungstrakt der GM-gefütterten Wildschweine: Hier waren kleine Bruchstücke des in den GM-Mais eingeschleusten Gens nachweisbar. Außerhalb des Darms fanden die Forscher allerdings nirgends eine Spur, weder im Gewebe von Wildschweinen noch bei den Damhirschen. Niemand muss also Sorge haben, wenn er sich ein Wildgericht schmecken lässt: „Das Fleisch der untersuchten Tiere war in jedem Fall frei von transgenen Komponenten“, so Prof. Meyer.

Öko-Landwirte und Naturschützer machen sich eher um eine unkontrollierte Ausbreitung von GM-Mais über den Kot von Wildtieren Gedanken. Doch auch hier kann Meyer Entwarnung geben. Sein Team untersuchte die gesammelten Kotproben auf intakte und keimfähige Maiskörner. Nur eine verschwindend geringe Zahl übersteht demnach überhaupt die Maul-Magen-Darm-Passage: Beim Wildschwein kamen gerade einmal noch 0,015% der konventionellen und 0,009% der transgenen Maiskörner unbeschädigt wieder ans Licht. Nur ein einziges Maispflänzchen konnte danach unter standardisierten Laborbedingungen wachsen, ein weiterer Keimling zeigte ein abnormes Wachstum. Die Damhirsche setzen dem Mais sogar noch mehr zu: In ihrem Kot wurde kein einziges intaktes und damit keimfähiges Maiskorn mehr gefunden.

Die Verdauung funktioniert aber nicht für alle Saaten und bei allen Tierarten gleich gründlich, wie die Forscher ebenfalls zeigen konnten. Sie hatten alle untersuchten Tiergruppen zusätzlich mit konventionellem Raps gefüttert. Im Wildschwein-Kot fanden sie kein einziges intaktes Rapskorn - bei den Damhirschen hingegen mehrere, von denen 13,6% sogar noch keimfähig waren. „Das zeigt, dass man solche Studien für alle gentechnisch veränderten Pflanzen separat durchführen muss“, fasst Prof. Meyer zusammen.


Kontakt:
Prof. Heinrich H.D. Meyer
Lehrstuhl für Physiologie
Wissenschaftszentrum Weihenstephan
Technische Universität München
Tel. 08161 /71-3508
E-Mail: physio@wzw.tum.de
http://www.weihenstephan.de/fml/physio/


Literatur:
Wiedemann, S.; Lutz, B.; Albrecht, C.; Kuehn, R.; Killermann, B.; Einspanier, R.; Meyer, H.H.D.: Fate of genetically modified maize and conventional rapeseed, and endozoochory in wild boar (Sus scrofa). Mammalian Biology 74 (2009) 191-197. DOI:10.1016/j.mambio.2008.07.002

Guertler, P.; Lutz, B.; Kuehn, R.; Meyer, H.H.D.; Einspanier, R.; Killermann, B.; Albrecht, C.: Fate of recombinant DNA and Cry1Ab protein after ingestion and dispersal of genetically modified maize in comparison to rapeseed by fallow deer (Dama dama). European Journal of Wildlife Research 54 (2008) 36-43. DOI 10.1007/s10344-007-0104-4

Kontakt: presse@tum.de

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