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Große Freude bei TUM-Wissenschaftlern:

Satellit GOCE sendet Signale aus der Umlaufbahn

Ein Piepsen aus dem Orbit: GOCE arbeitet

17.03.2009, Press releases

Diesmal hat es geklappt: Nachdem die technischen Probleme behoben wurden, die gestern zu einem Abbruch des Countdowns führten, startete heute im russischen Kosmodrom Plesetsk die Rockot-Trägerrakete mit dem ESA-Satelliten GOCE (Gravity Field and Steady-State Ocean Circulation Explorer) in die Erdumlaufbahn. Eineinhalb Stunden später, um 16:51 Uhr, sendete der Satellit die ersten Signale aus dem Orbit und meldete damit den Beginn der Messungen.

Alle 90 Minuten kreist GOCE jetzt einmal um die Erde. Damit beginnt die bisher anspruchvollste wissenschaftliche Mission zur Erforschung des Schwerefeldes der Erde und zur Kartierung des Geoids, der Bezugsfläche aller Höhensysteme unseres Planeten. Wissenschaftler erwarten Daten von Schwerefeld und Geoid in bisher unerreichter Auflösung und Genauigkeit. Prof. Reiner Rummel, Ordinarius für Astronomische und Physikalische Geodäsie der Technischen Universität München (TUM) hat in den vergangenen Jahren maßgeblich zur Entstehung dieser Mission beigetragen.

Professor Rummel ist einer der Initiatoren von GOCE, Sprecher der GOCE Mission Advisory Group, sowie Vorsitzender des European GOCE Gravitiy Consortiums. Dies ist eine Art Think Tank aus zehn europäischen Instituten aus sieben Ländern, der sowohl die europäische Weltraumbehörde ESA bei der Realisation dieser anspruchvollen Mission beraten hat, als auch die wissenschaftlichen Daten in den kommenden Monaten auswerten wird.

Die Gravitation, die GOCE messen wird, ist eine der Grundkräfte der Natur, die viele dynamische Prozesse sowohl im Erdinneren als auch an und über der Erdoberfläche beeinflusst. Eine genaue Kenntnis des Gravitationsfeldes der Erde trägt entscheidend dazu bei, Prozesse im Erdinneren und somit die Physik und die Dynamik von Erdbeben und Vulkanismus besser zu verstehen. Obwohl in den vergangenen Jahren zahlreiche Schweremessungen auf der Erde durchgeführt wurden, bietet der Zugang zum Weltraum nun die einzigartige Möglichkeit, detaillierte Messdaten des gesamten globalen Gravitationsfeldes zu erfassen.

Angesichts unübersehbarer Klimaänderungen sind die Daten, die GOCE nach dem Erreichen seiner Umlaufbahn aus dem All senden wird, für Forschung und Wissenschaft entscheidend für ein besseres Verständnis des Systems Erde. GOCE wird nämlich auch eine Karte des Geoids, der Bezugsfläche der Erde und von Anomalien des Schwerefeldes in hoher Auflösung liefern. Eine solche Karte wird weitaus verbesserte Referenzen für Klimastudien einschließlich Veränderung des Meeresspiegels, der Ozeanströmungen und Untersuchungen der Dynamik der Eiskappen liefern. Durch diese Messungen wird erstmals ermöglicht, die Oberflächenzirkulation der Weltmeere, d.h. die Ozeanströme global mit deutlich verbesserter Detailgenauigkeit zu erfassen. Bisher hatte man dies hauptsächlich aus mathematischen Modellrechnungen erschlossen. Genauere Referenzsysteme zu erhalten ist deshalb so wichtig, weil die Meeresströme 50 Prozent zum Wärmehaushalt der Erde beitragen. Sollte sich zum Beispiel der Verlauf des Golfstroms ändern, dann wird es in Europa eine deutliche Temperaturänderung geben. Mit GOCE werden Wissenschaftler aber anhand eines Referenzsystems tatsächlich in der Lage sein, solche Veränderungen der Meeresströme genauer zu erkennen.

Auch das Vermessungswesen wird von den Daten, die GOCE aus dem All senden wird, enorm profitieren. Durch die Verfügbarkeit einer hochgenauen Referenzfläche aus  GOCE wird es durch Kombination mit Messungen von Satellitennavigationssystemen (z.B. GPS oder GALILEO) in Zukunft erstmalig möglich sein, jedem Nutzer Meereshöhen auf den Zentimeter genau zur Verfügung zu stellen. Professor Rummel rechnet damit, dass alle Satellitennavigationsempfänger der Zukunft diese Option enthalten werden. Die genauen Daten werden aber auch die Planung von Tunnel-, Straßen- und Brückenbau einfacher machen. Professor Rummel ist vom Erfolg dieser Mission überzeugt: „Diese Daten werden wichtige Grundlagen für die Geophysik liefern und wesentlich zu unserem Verständnis des Erdklimas beitragen.“

Da die Gravitation mit steigendem Abstand von der Erdoberfläche abnimmt, ist GOCE für eine sehr niedrige Umlaufbahn  - in nur 270 Kilometern Höhe - ausgelegt. Die in dieser Höhe bereits deutlich spürbaren Reibungskräfte der Atmosphäre stellen jedoch eine besondere Herausforderung bezüglich seiner Steuerung und Energieversorgung dar. Aus diesem Grund ist die Mission voraussichtlich auf 20 Monate beschränkt, was aber ausreichend ist, um alle wesentlichen Messdaten über die Erdgravitation und das Geoid zu erfassen. Mit dem hochpräzisen Messgerät an Bord wird eine räumliche Auflösung von 100 Kilometern erreicht, bisherige Missionen konnten nur ein gröberes Raster von etwa 500 bis 1000 Kilometer liefern.

Professor Rummel hat sich schon in den vergangen 20 Jahren mit dem Projekt zur Vermessung des Gravitationsfeldes aus dem All beschäftigt und arbeitet seit fünfzehn Jahren, seit er an die Technische Universität München berufen wurde, an der Realisierung. „Ideen dafür gab es schon zehn Jahren nach Sputnik, aber die Technik war noch nicht so weit. Erst seit den 1980er-Jahren sind wir überhaupt in der Lage, ernsthaft über die Realisation eines solchen Satelliten nachzudenken.“ Das Team um Professor Rummel ist maßgeblich an der Auswertung der Satellitendaten beteiligt. „Wir sind für die Bereitstellung der zentimetergenauen Bahnen sowie der Gravitationsfeld- und Geoidmodelle verantwortlich,“ erläutert Dr. Thomas Gruber, Akademischer Oberrat an der TUM, der gemeinsam mit Rummel an GOCE arbeitet. Hierzu koordiniert die TU ein Konsortium von zehn wissenschaftlichen Instituten und Universitäten aus Europa, die gemeinsam in den kommenden 20 Monaten an der Datenauswertung arbeiten werden. Die wissenschaftlichen Partner sind neben der TUM die Universität Bonn und das GFZ Potsdam aus Deutschland sowie weitere sieben wissenschaftliche Institute in Österreich, Italien, Frankreich, der Niederlande, der Schweiz und Dänemark. 

Der Treibstoff an Bord von GOCE wird voraussichtlich für 20 Monate ausreichen. Anschließend wird GOCE beim Eintritt in die Atmosphäre nahezu vollständig verglühen.

Kontakt: presse@tum.de

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