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Zur Verleihung des „Preises für gute Lehre an Bayerns Universitäten“ durch Wissenschaftsminister Dr. Thomas Goppel am 11.12.2006 in der TUM

Spitzenforschung, Spitzenlehre?

TUM-Präsident Wolfgang A. Herrmann

11.12.2006, Pressemitteilungen

Plädoyer für eine neue Wertschätzung der akademischen Lehre von Prof. Wolfgang A. Herrmann, Präsident der TU München: „Elite-Universität“ heißt der neue Schlachtruf einer Politik, die lange das Mittelmaß als Maß aller Dinge gewähren ließ. Nun ist mit Hochschulrankings aller Art zur Stelle, wer sich zu den Besten zählt: Publikationsleistungen, Zitations-Indices, Kongressauftritte, Drittmittelbilanzen, Leibniz- und Nobelpreise. Große Universitäten bevorzugen schiere Summenangaben, kleine Universitäten kommen mit der personenbezogenen „Prokopfleistung“ meist besser weg. Wenn auch Äpfel mit Birnen, Archäologen mit Ingenieuren, und Massen mit Klassen verglichen werden, so ist der Wettbewerb erfrischend. Die Öffentlichkeit nimmt wieder zur Kenntnis, dass Universität mit differenzierter Leistung und Spitzenleistung zu tun hat.

Nun sind Hochschulen, so hoch sie auch sein mögen, in erster Linie Schulen, die wissenschaftliches Schulwissen auf der Höhe der Zeit vermitteln und durch Forschung neues Wissen erschließen sollen.

Bisher wenig beachtet, kaum gemessen und gewiss auch nur ungenau messbar, ist es die Spitzenlehre, die neben der Forschungsbilanz eine Spitzenuniversität erst ausmacht. Der Dreh- und Angelpunkt ist die Lehrer/Schüler-Beziehung, die sich am wissenschaftlichen Gegenstand definiert.

Die deutsche Universitätstradition geht jedoch ungebrochen von der Vorstellung aus, dass der exzellente Forscher auch der beste Lehrer sei. Diese Formel greift zu kurz, zumal nicht wie zu Humboldts Zeiten fünftausend sondern 1,3 Millionen Studierende an den Universitäten sind. Heute haben wir nämlich Qualitäts- und Mengenprobleme gleichzeitig zu lösen. Realistisch erscheint dies nur durch eine neue Form der Arbeitsteilung unter der Einheit von Forschung und Lehre. Die gute Vorlesung muss ebenso hoch bewertet werden wie die wissenschaftliche Publikation. Wer Freude am Unterricht und Geschick bei der Vermittlung von Zusammenhängen und Einsichten hat, trägt fundamental zur akademischen Identitätsbildung der Hochschule und ihrer Studenten bei. Geforscht wird hauptsächlich in Spezialdisziplinen (wie an Forschungsinstituten auch), gelehrt werden muss hingegen aus der Gesamtschau der Disziplin, oft über ihre tradierten Grenzen hinaus - man denke nur an die modernen Biowissenschaften.

Professoren sind berufen, um ihr Fach in der ganzen Breite den Studierenden nahe zu bringen. Es setzt keine Spitzenleistung in der Forschung voraus, um die Experimentalphysik didaktisch so auszugestalten, dass sie selbst auf hohem Niveau begreifbar ist. Die Freiheit von Forschung und Lehre, seit der Paulskirchenverfassung ein verbürgtes Grundrecht, verpflichtet auf die Ausgewogenheit des akademischen Unterrichts.

Aller Erfahrung nach differenzieren sich „on the job“ die Neigungen und Talente aus, auch bei Professoren. Deshalb werden sich Universitäten besonders dadurch auszeichnen, dass sie den begabten Lehrer ebenso fördern wie den brillanten Forscher. Hier ist Nachholbedarf. Leider sind nämlich beide Qualitäten in derselben Person so selten, dass allein mit diesen Glücksfällen eine Universität nicht zu schaukeln ist. Es ist nicht realistisch, wenn wir jeden Professor Exzellenz in Forschung und Lehre, Nachwuchsförderung und Hochschulverwaltung beständig und gleichzeitig abverlangen.

Wer aber misst die Leistung der Lehrenden? In der Forschung ist das peer review-System internationaler Standard. Wenngleich ungewohnt, bietet es sich auch in der Lehre an, laufend ergänzt durch das studentische Urteil. Passend zum Profil und Niveau des Studienangebots ausgewählt, werden die Studierenden unterhaltsame aber seichte Vorlesungen kaum positiv bewerten, vor allem nicht, wenn sie künftig Kostenbeiträge leisten und so als „aktive Kunden“ mitreden. Auch mit noch so interessanten Spezialitäten werden sie sich nicht abspeisen lassen. Also werden überprüfte didaktische Standards künftig aus Professorenberufungen nicht mehr wegzudenken sein. Und der Professorennachwuchs wird sich in der Lehre dann besonders engagieren, wenn sie gleichwertig mit der Forschung zum Leistungs- und Ehrenkodex der Universität gehört. Didaktisches Training gehört in das Pflichtprogramm der Professorenlaufbahn, denn Naturtalente sind auch hier selten.

Fazit:
Spätestens die Auswahl der Studierenden und die Kostenpflichtigkeit des Studiums werden der Kultivierung der akademischen Lehre einen erheblichen Schub versetzen. Spitzenuniversitäten, und die es werden wollen, haben sich an Konzepten einer Spitzenlehre zu messen. Forschungsindikatoren taugen dafür nur zufällig. Spitzenuniversitäten beurteilt man nicht nach dem Input = Studentenzahlen, sondern am Outcome: nach der Qualitätsmenge der Forschungsergebnisse und nach der Zahl der erfolgreichen Absolventen, die einen ausbildungsadäquaten Job zu guten Konditionen finden. Erst wenn die (unternehmerische) Universität hierüber Bescheid weiß, gibt es treue Alumni und wird sie Familie. Ein Paradigmenwechsel steht an.

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