AiF verleiht Otto von Guericke-Preis 2005 an Weihenstephaner Forscher
„Fingerabdruck“ überführt Mikroben
17.11.2005, Pressemitteilungen
Prof. Dr. Siegfried Scherer und Dr. Herbert Seiler vom Zentralinstitut für Ernährungs- und Lebensmittelforschung der Technischen Universität München haben eine Methode zur Identifizierung von Mikroben weiterentwickelt, für Keime in Lebensmitteln etabliert und an die industrielle Praxis angepasst. Für diesen Leistung erhalten sie in diesem Jahr den Otto von Guericke-Preis, den die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen "Otto von Guericke" (AiF) alljährlich verleiht.
Verderbnis erregende Mikroorganismen in Lebensmitteln bilden ein
Hygienerisiko für den Verbraucher. Zusätzlich verursachen sie in der
Industrie Schäden, die jährlich bei mehreren hundert Millionen Euro
liegen. Hinzu kommen kaum bezifferbare, oft existenzbedrohende
Imageschäden bei den betroffenen Herstellern. Zur ständigen Überprüfung
ihres Hygienestatus waren gerade kleine und mittlere Unternehmen
bislang auf externe Fachlabors angewiesen. Je nach Produktionsvolumen
wandten sie pro Jahr mehrere hunderttausend Euro für mikrobiologische
Auftragsarbeiten auf.
Prof. Dr. Siegfried Scherer und Dr. Herbert Seiler vom Zentralinstitut
für Ernährungs- und Lebensmittelforschung der Technischen Universität
München haben eine Methode zur Identifizierung von Mikroben
weiterentwickelt, für Keime in Lebensmitteln etabliert und an die
industrielle Praxis angepasst. Sie ermöglicht es den
Lebensmittelproduzenten, die Identifizierung von Mikroorganismen zur
Schadensvorbeugung im eigenen Betriebslabor vorzunehmen oder zu
deutlich niedrigeren Analysekosten als bisher an Externe zu vergeben.
Die neue Technik der Fourier-Transform-Infrarot- (FTIR-) Spektroskopie
ist einfach durchführbar, erlaubt einen hohen Probendurchsatz und führt
zu einem schnellen Ergebnis und zu einer sicheren Klassifikation bei
niedrigen Kosten für Verbrauchsmaterial. Für diesen entscheidenden
Fortschritt in der Routine-Identifizierung von Mikroben erhalten
Scherer und Seiler in diesem Jahr den Otto von Guericke-Preis, den die
Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen "Otto von
Guericke" (AiF) alljährlich verleiht.
Das Prinzip des Tests ist einfach: Von einer getrockneten Suspension
der Reinkultur eines unbekannten Mikroorganismus wird ein
Infrarot-Spektrum aufgenommen, das einen individuellen Fingerabdruck
der Art darstellt. Dieses Spektrum wird mit Spektren bekannter Mikroben
verglichen, die in Referenzdatenbanken abgelegt sind. Inzwischen ist es
auch möglich, direkt die Produkt- oder Umweltprobe ohne vorherige
Gewinnung einer Reinkultur zu analysieren, und zwar innerhalb von nur
24 Stunden. Schadhefen können so mit einer 97-prozentigen Trefferquote
identifiziert werden, was alle vergleichbaren Methoden in den Schatten
stellt. Derzeit liegen Datenbanken mit etlichen tausend Spektren vor.
Ihre weitgehend automatisierte Auswertung beruht auf dem Prinzip der
Datenanalyse durch künstliche neuronale Netze, deren Aufbau dem
Nervensystem von Lebewesen nachempfunden ist.
Das Verfahren ist inzwischen in mehreren Industrielabors sowie in zwei
mittelständischen und einem staatlichen Untersuchungslabor etabliert,
die Dienstleistungen für kleinere Lebensmittel verarbeitende Betriebe
anbieten. Eine weitere Nutzungsmöglichkeit zeichnet sich in der
Qualitätssicherung von Pharmabetrieben ab, wo der mikrobiellen
Begleitflora in den Produktionsstätten höchste Aufmerksamkeit gilt.
Mit der neuen Methode verringern sich die Untersuchungskosten um rund
die Hälfte, wenn sie extern in Auftrag gegeben werden. Die reinen
Materialkosten betragen 50 Cent pro Identifizierung. Das sind maximal
zehn Prozent der Kosten anderer Verfahren. Für die deutsche
Lebensmittelindustrie, die im Forschungskreis der Ernährungsindustrie
organisiert ist, liegt somit das jährliche Kosteneinsparungspotenzial
im Bereich mehrerer Millionen Euro.
Professor Dr. Siegfried Scherer, Jahrgang 1955, studierte Biologie,
Chemie und Physik an der Universität Konstanz. Nach
Forschungsaufenthalten in China und den USA lehrte er in München und
Wien. Im Jahr 2003 wurde er zum Geschäftsführenden Direktor des
Zentralinstituts für Ernährungs- und Lebensmittelforschung der TU
München ernannt. Dr. Herbert Seiler, geboren 1942, studierte Biologie
und Mikrobiologie in München. Seit 1970 arbeitet er als
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentralinstitut für Ernährungs- und
Lebensmittelforschung der TU München.
AiF-Präsident Johann Wilhelm Arntz verleiht den Otto von Guericke-Preis
anlässlich der diesjährigen Tagung des Wissenschaftlichen Rates der AiF
am 17. November 2005 in Karlsruhe. Die Auszeichnung würdigt
herausragende Leistungen auf dem Gebiet der industriellen
Gemeinschaftsforschung und ist mit 5000 Euro dotiert. Eine im Jahr 2001
mit dem Otto von Guericke-Preis ausgezeichnete Arbeit zur akustischen
Kamera erreichte vor wenigen Tagen die Endausscheidung zum Deutschen
Zukunftspreis des Bundespräsidenten.
Kontakt:
Dr. Herbert Seiler
TU München, Zentralinstitut für Ernährungs- und Lebensmittelforschung
Tel.: 08161 / 71-3519
E-Mail: herbert.seiler@wzw.tum.de
Silvia Behr
Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen "Otto von Guericke" (AiF)
Tel.: 0221 / 37680-55
E-Mail: presse@aif.de
Kontakt: presse@tum.de