Biomechanische Optimierung im Skisport
TUM hilft Ski-Assen auf die Sprünge
10.04.2004, Pressemitteilungen
Im heutigen Spitzensport sind oft minimale Unterschiede ausschlaggebend. Wer im internationalen Vergleich bestehen will, muss einen enorm hohen Aufwand treiben, um die Leistungen der Sportler immer weiter zu steigern. Das Fachgebiet Biomechanik im Sport der TUM (Prof. Ansgar Schwirtz) analysiert und optimiert in einem Projekt der Wissenschaftskommission des Deutschen Skiverbandes (DSV) das Absprungverhalten der Skispringer und Nordisch Kombinierer. Damit, so hoffen die Wissenschaftler, können sie den deutschen Sportlern den entscheidenden Vorteil für die Weltmeisterschaft 2005 und die Olympischen Spiele 2006 verschaffen.
Sprünge, wie Skispringer sie vollführen, lassen sich im Labor im Rahmen leistungsdiagnostischer Maßnahmen simulieren. Allerdings werden dabei zwei wesentliche Kriterien nicht erfüllt: Der Absprung am Schanzentisch erfolgt mit einer Anlaufgeschwindigkeit von knapp 100 km/h, und die Sportler tragen natürlich Skier. Um dem gerecht zu werden, hat der DSV entschieden, Kraftmessplattensysteme in die Schanzen in Hinterzarten und Oberstdorf einzubauen und wissenschaftlich betreuen zu lassen.
Die TUM-Sportbiomechaniker untersuchen in einem Projekt für den Olympiastützpunkt Bayern (OSP) im Rahmen eines gemeinsamen Kooperationsvertrags das Absprungverhalten der deutschen Spitzenathleten in Training und Wettkampf. Im Oktober 2003 haben sie das Kraftmessplattensystem eigenhändig in den Schanzentisch der Sprungschanze in Oberstdorf integriert. Um den gesamten Absprungvorgang zu messen und zu analysieren, reicht es allerdings nicht, eine einfache Kraftmessplatte am Ende des Schanzentischs einzulassen, sondern man braucht ein spezielles, über zehn Meter langes Kraftmessplattensystem. Dazu wurden in die Anlaufspuren für linkes und rechtes Bein jeweils sieben von den Firmen AMTI und PROPHYSICS eigens zu diesem Zweck entwickelte Kraftmessplatten eingebaut, die die Bodenreaktionskräfte dreidimensional erfassen. Zur Messung werden über eine Spezialsoftware alle 14 Platten gekoppelt, die Kräfte registriert und analysiert. Zudem findet eine zeitsynchrone, ebenfalls Software-gesteuerte Videoanalyse des Absprungs statt. Das Investitionsvolumen für das hochkomplexe Hard- und Softwaresystem belief sich nach Abschluss der Entwicklungsarbeit auf insgesamt etwa 250.000 Euro.
Nach einer Erprobungsphase im Frühjahr 2004 wurde das Gesamtsystem im Juli bei den Deutschen Meisterschaften und beim Continentalcup erstmals im Wettkampf eingesetzt. In Zusammenarbeit mit dem Trainingswissenschaftler Günther Hartung des OSP-Regionalzentrums Oberstdorf erfasste Dipl.-Sportwiss. Peter Bösl die wissenschaftlichen Daten und leitete sie nach der Auswertung an die deutschen Trainer und Sportler weiter. Seinen vorerst letzten Einsatz hatte das an der TUM in Kooperation mit der Universität Freiburg entwickelte Messverfahren beim Sommer-Grandprix der Nordischen Kombination im August. Die Fachwelt zeigt sich schon jetzt sehr zufrieden, betont Andreas Bauer, Bundestrainer Nordische Kombination, Disziplin Skisprung: »Die Kraftkurven tragen erheblich zur Qualitätssteigerung unseres Techniktrainings bei, weil wir nun nach vielen Jahren endlich in der Lage sind zu sehen, was die Athleten tatsächlich auf dem Schanzentisch bei knapp 100 km/h umsetzen können.«
Im Hinblick auf die Großereignisse Nordische Ski-Weltmeisterschaft 2005 in Oberstdorf und Olympische Winterspiele 2006 in Turin sollen zahlreiche weitere Analysen sowohl im Training als auch im Wettkampf erfolgen. Damit gewährt das TUM-Fachgebiet Biomechanik im Sport - gemeinsam mit DSV, Trainern, Sportlern und OSP - dem deutschen Ski-Springsport eine optimale wissenschaftliche Unterstützung, gewünscht und gefördert im Rahmen der Regional-Offensive der Bayerischen Staatsregierung.
Ansprechpartner:
Dipl.-Sportwiss. Daniel Hahn
Fachgebiet Biomechanik im Sport
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Daniel Hahn
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