Pionier der Metallorganischen Chemie und Homogenkatalyse
TUM-Chemie verleiht Ehrendoktorwürde an Henri Brunner
07.05.2004, Pressemitteilungen
Grundlagenerkenntnisse aus der modernen Chemie und Pharmaindustrie nicht mehr wegzudenken
Das Department Chemie der Technischen Universität München zeichnet den Chemiker Prof. Henri Brunner von der Universität Regensburg mit der Ehrenpromotion aus. Die Auszeichnung wird ihm verliehen "für seine richtungsweisenden Forschungsarbeiten in der Metallorganischen Chemie und Homogenkatalyse, mit denen er den Weg zu modernen enantioselektiven Verfahren für die Herstellung von chiralen Feinchemikalien und Pharmavorstufen geebnet hat". So heißt es in der Ehrenpromotions-Urkunde, die ihm TU-Präsident Prof. Wolfgang A. Herrmann anlässlich des 14. Internationalen Symposiums über Homogene Katalyse am 7. Juli 2004 beim Staatsempfang in der Münchner Residenz überreicht.
Henri Brunner ist ein Pionier auf dem Gebiet der stereoselektiven Katalyse mit Hilfe von metallorganischen Komplexen. Auf diese Weise lassen sich Moleküle selektiv mit einem vorbestimmten räumlichen Aufbau herstellen. Dies kann für die Eigenschaften und Anwendungen des Produktes ganz entscheidend sein, vor allem was die pharmakologische Wirkung als Medikament angeht. Grundlegend war Brunners Erkenntnis, dass metallorganische Komplexverbindungen, bei denen organische Molekülreste um ein zentrales Metall-Atom angeordnet sind, eine "stabile Chiralität" aufweisen können. Chirale Moleküle sind räumlich so aufgebaut, dass sie nicht mit ihrem Spiegelbild zur Deckung gebracht werden können. Waren es zunächst tetraedrisch aufgebaute Komplexe, die Brunner in optisch reiner Form isolieren konnte (1969), so kamen bald Komplexverbindungen mit quadratisch-pyramidaler, d.h. fünffach koordinierter Struktur hinzu (1972). An diesen Beispielen, die heute Lehrbuchwissen sind, untersuchte er, wie sich Chiralität vom Katalysatormolekül auf das Produkt übertragen lässt.
Bald darauf arbeitete er mit chiralen Phosphanen mit cyclischer Struktur - ein Strukturprinzip, das sich fortan bei stereoselektiven Aufbaureaktionen der organischen Chemie als erfolgreich erweisen sollte und aus der Naturstoff- und Pharmachemie nicht mehr wegzudenken ist. William Knowles, Barry Sharpless und Ryoji Noyori wurden für wirtschaftlich besonders erfolgreiche Katalyseprozesse von organischen Verbindungen (wie dem Parkinson Medikament L-DOPA, der Olefin-Epoxidation und der Synthese von L-Menthol) im Jahr 2001 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Zu diesen Erfolgen trugen die mittlerweile über 30 Jahre begonnenen Pionierarbeiten aus dem Laboratorium von Prof. Brunner erheblich bei.
Der 1935 im Erzgebirge geborene Chemiker promovierte 1963 mit Auszeichnung bei Prof. Ernst Otto Fischer in München, bei dem er sich 1969 auch habilitierte. 1971 nahm er den Ruf auf den Lehrstuhl für Anorganische Chemie an der Universität Regensburg an, die er bis zu seiner Emeritierung 2004 inne hatte. In den folgenden Jahren bekleidete er zahlreiche Gastprofessuren und lehnte Rufe an renommierte Universitäten im In- und Ausland ab. Seine Arbeiten wurden vielfach ausgezeichnet, u. a. durch den Horst Pracejus-Preis der Gesellschaft Deutscher Chemiker und den Humboldt-Forschungspreis für die deutsch-französische Zusammenarbeit. Seine Forschungsarbeiten haben in besonderer Weise auf die Chemische Industrie ausgestrahlt, in der viele Schüler aus seinem Laboratorium heute tätig sind.
Neben einem außergewöhnlichem wissenschaftlichen Werk, das durch ca. 470 Originalpublikationen und viele Übersichtsartikel dokumentiert ist, hat Prof. Brunner komplexe wissenschaftliche Gegenstände in eine allgemein verständliche Sprache übersetzt. So hat sein Buch über Chiralitätsphänomene "Rechts oder Links" eine große Verbreitung gefunden und wurde mit dem Literaturpreis der Gesellschaft Deutscher Chemiker ausgezeichnet. Auch sein zweibändiges "Handbook of Enantioselective Catalysis with Transition Metal Compounds zählt zu den Standardwerken des Fachgebiets. Prof. Brunner war und ist darüber hinaus Mitherausgeber zahlreicher Zeitschriften wie der Angewandten Chemie (von 1993-1997 als Vorsitzender des Kuratoriums), der Monatshefte für Chemie, Tetrahedron: Asymmetry, und des Journal of Organometallic Chemistry.
Das 14th International Symposium on Homogeneous Catalysis(ISHC), das vom 5.-9. Juli 2004 in München stattfindet, ist auch eine Referenz an das wissenschaftliche Werk von Prof. Brunner. Genannt seien beispielhaft seine Arbeiten zur Synthese von reinem (S)-Naproxen, dem bedeutendsten entzündungshemmenden Medikament, sowie des Injektionsnarkotikums Methohexital (Brevimytal).
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