Meilensteine der Katalyseforschung auf internationalem Kongress in München
Neue Wirkstoffe und Werkstoffe durch neue Katalysatoren
25.06.2004, Pressemitteilungen
Staatsempfang mit dem Bayerischen Wissenschaftminister
Mit zwei Nobelpreisträgern und vielfach ausgezeichneten Chemikern beginnt am 5. Juli 2004 in München das 14. Internationale Symposium über Homogene Katalyse (ISHC), das von der Technischen Universität München und der Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) veranstaltet wird. Die Katalyseforschung ist ein interdisziplinäres, aus der Chemie entspringendes Forschungsgebiet mit hohem Innovationspotential. Viele Entdeckungen in der Grundlagenforschung finden Anwendung in wirtschaftlich bedeutenden technischen Prozessen. Katalysegesteuerte Prozesse helfen, Energie zu sparen und umweltfreundlich zu produzieren. Derzeit werden über 80 Prozent der Produkte der chemischen Industrie auf katalytischem Wege hergestellt. "Es gibt kein anderes technisches Prinzip, das ökonomische und ökologische Aspekte so sehr miteinander verbindet wie die Katalyse," sagte der Chairman des Symposiums, der Chemiker Professor Wolfgang A. Herrmann von der Technischen Universität München. "Katalyse ist die Zukunftstechnologie par exellence."
An dem fünftägigen Symposium nehmen etwa 950 Wissenschaftler aus 45 Ländern teil, darunter viele Nachwuchsforscher, die ihre eigenen Ergebnisse präsentieren. Die 8 berühmtesten Fachwissenschaftler der Katalyseforschung halten Plenarvorträge, insgesamt sind 44 Vorträge vorgesehen. Wegen der großen ökonomischen und ökologischen Bedeutung dieser Forschungsrichtung lädt der Bayerische Staatsminister für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Dr. Thomas Goppel, die Teilnehmer zu einem Staatsempfang in die Münchner Residenz.
Ein Arbeitsgebiet des Nobelpreisträgers Professor Ryoij Noyori aus Nagoya, Japan, ist die sog. asymmetrische Katalyse, die er als "vierdimensionale Chemie" bezeichnet, weil die Zeit, (Kinetik) neben der dreidimensionalen Struktur eine wichtige Rolle spielt. Mit bestimmten Übergangsmetall-Komplexen kann Wasserstoff effizient mit ungesättigten organischen Verbindungen reagieren.
In Deutschland gehört das Max-Planck-Institut für Kohlenforschung in Mülheim zu den ersten Adressen der Katalyseforschung. Dort hatte der Nobelpreisträger Karl Ziegler die Katalysatoren für Polymerwerkstoffe entdeckt. Heute befaßt sich dort Professor Manfred T. Reetz mit der asymmetrischen Katalyse, der Hydrierung von Olefinen mit an Rhodium-Katalysatoren gebundenen Phosphorverbindungen als Liganden.
Neben Reaktionen des Wasserstoffs gehören Oxidationen zu den technisch bedeutenden Prozessen. Sauerstoff und Wasserstoffperoxid sind die wichtigsten Oxidationsmittel. Elegante Methoden, um Alkohole und Alkane zu oxidieren, arbeiten mit reaktiven organischen Stickstoff-Sauerstoff-Verbindungen in Anwesenheit von Übergangsmetallen als Katalysatorsysteme, wie Professor Roger A. Sheldon von der Universität Delft zeigt.
Die Ammoniaksynthese gehört zu den ältesten technischen Katalysen. Die Reduktion von Stickstoff an verschieden substituierten Molybdän-Katalysatoren wurde aber erst jetzt von Professor Richard R. Schrock am MIT Boston so genau untersucht, dass er Aussagen über den ablaufenden Mechanismus treffen und erläutern kann, warum neuartige Molybdän-Katalysatoren so gut funktionieren.
Sowohl für kleine bioaktive Moleküle, die für die Pharmaindustrie interessant sind, als auch für die Kunststoffentwicklung, eignet sich die sog. Olefin-Metathese als Synthesemethode der Wahl. Ruthenium-Komplexe als Katalysatoren lieferten hier den Schlüssel zum Erfolg, weil sie auch mit kompliziert gebauten Olefinen funktionieren. Dies erläutert Professor Robert H. Grubbs vom California Institute of Technology (USA).
In jüngster Zeit hat es bedeutende Erfolge bei der Entwicklung und Anwendung von Katalysatoren bei der Polymersynthese gegeben. Man entdeckte die entscheidende Rolle der Liganden von Katalysatorsystemen für die räumliche Ausrichtung der Polymerketten, die wiederum entscheidend für die Eigenschaft des Kunststoffes ist. Vor allem die Polymerisation des Olefins Propylen zu Polypropylen kann so erfolgreich stereokontrolliert ablaufen. Professor Vernon C. Gibson, London, stellt in München neue Katalysatorsysteme für die Polymerisation von Lactiden zu Polylactid und von Methylmethacrylat zu Polymethylmethacrylat vor. Polylactid, auch "Polymilchsäure" genannt, ist ein Zukunftswerkstoff, weil er verbraucherfreundlich und biologisch abbaubar ist. Polymethylmethacrylat wurde bereits vor 70 Jahren unter dem Namen Plexiglas bekannt. Seine Herstellung und Eigenschaften konnten seither stetig weiter verbessert werden. Er bleibt ein Kunststoff mit Tradition und Zukunft.
Nobelpreisträger Professor K. Barry Sharpless vom berühmten Scripps Research Institute (La Jolla, USA) arbeitet sehr erfolgreich mit Kupfer-Katalysatoren, die einfach zu handhaben sind und dennoch unzählige Anwendungen erschließen, sowohl in der organischen Synthese als auch für Biomoleküle, in den Materialwissenschaften und in der mit Computern automatisierten Synthese komplexer Produkte (sog. Kombinatorische Chemie).
Für all die vielfältigen Katalysatorentwicklungen ist das Verständnis der chemischen Reaktionsabläufe von besonderer Bedeutung. Die organometallische Oberflächenchemie, vor allem Basis für die Entwicklung der heterogenen Katalyse, kann jetzt auch in der Homogenkatalyse eingesetzt werden, was Professor J.M. Basset vom CPE Lyon erläutert. Bei der heterogenen Katalyse ist der Katalysator ein Feststoff und die reagierenden Substanzen befinden sich in einer Lösung oder in der Gasphase, wie beispielsweise beim Autokatalysator. Bei der homogenen Katalyse läuft die Katalyse in einer Phase, also beispielsweise in Lösung ab.
Im Institut von Professor Wolfgang A. Herrmann, in dem der Nobelpreisträger Professor Ernst Otto Fischer viele Grundlagen für die heutige Katalyseforschung legte, wurde der bisher aktivste Oxidations-Katalysator für organische Fein- und Spezialchemikalien entdeckt. Es ist das einfache Katalysatormolekül Methylrheniumoxid, mit dessen Hilfe man zum Beispiel abfallfrei und umweltschonend Vitamin-K3 herstellen und Nachwachsende Rohstoffe wertveredeln kann.
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