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Studierende der TU München entwerfen Schulkapelle neu

Perfekte Akustik für hörgeschädigte Schüler

Martina Höchstetter setzt bei der Gestaltung der Kapelle auf farbige Textilien.

10.05.2011, Press releases

Für Menschen mit eingeschränktem Gehör ist die Akustik eines Raumes von entscheidender Bedeutung. Den hörgeschädigten Schülern der Münchner Samuel-Heinicke-Realschule machte die Beschaffenheit ihrer Schulkapelle bislang den Besuch des Gottesdienstes schwer. Studierende der Technischen Universität München (TUM) haben nun Vorschläge für die Umgestaltung der Kapelle erarbeitet. Mit geschicktem Materialeinsatz, kluger Möblierung und auch visuellen Reizen stimmen sie den Raum optimal auf die besonderen Bedürfnisse seiner Nutzer ab.

Harte Materialien dominieren die Kapelle aus den 60er Jahren: der Boden aus Marmor, die Decke aus Sichtbeton, Wände aus Ziegeln. „Von allen Seiten wird Schall reflektiert und damit ein starker Nachhall erzeugt“, sagt der Architekt und TUM-Dozent Ludwig Steiger. Ein großes Problem für die hörgeschädigten Schüler der Samuel-Heinicke-Realschule in München-Nymphenburg. Doch nicht nur der Hall macht es den Mädchen und Jungen schwer, dem Gottesdienst zu folgen. Die Wand hinter dem Altar ist aus Glasbausteinen zusammengesetzt, die Jugendlichen blicken ins Gegenlicht. „Für sie ist es wegen der verschatteten Gesichter der Personen am Altar fast unmöglich, von deren Lippen abzulesen“, erklärt TUM-Dozentin Anna Gmelin.

Studierende des Lehramts Bautechnik haben deshalb auf Wunsch der Schule 14 Modelle zur Umgestaltung der Kapelle entworfen. Dabei ging es zunächst darum, ganz konkret die Situation der Nutzer nachvollziehen zu können. Mit einem Raumakustiker der Schule analysierten die Studierenden Audiobeispiele, welche die Wahrnehmung der Hörgeschädigten simulieren. „Man hört manchmal nur die Spitzen, ganze Silben verschwinden, Nebengeräusche entwickeln eine viel größere Bedeutung“, sagt Student Martin Bauer. Schon der übliche Geräuschpegel in einer Schulklasse von rund 60 Dezibel kann Schülern mit einer Hörschädigung bei schlechter Akustik Probleme bereiten – die durchschnittliche Lautstärke eines Vortragenden beträgt lediglich 65 Dezibel.

Martin Bauer legt deshalb in seinem Entwurf größten Wert auf schallabsorbierende Materialien, die störende Hintergrundgeräusche schlucken. Unter dem Motto „Die Welle“ verkleidet er die Wände mit Gipsplatten, in die er ein wellenförmiges Relief fräst. Den Boden legt er statt mit Marmor mit Linoleum aus. Ganz auf die wohltuende Wirkung farbiger Textilien hinsichtlich Akustik und Optik setzt Martina Höchstetter. Nadelfilz dämpft die Schritte, violetter Velours schmiegt sich über das Altar-Podest, weiße und orange Stoffbahnen gliedern die Glaswand, die Decke wird vollständig abgehängt. „Farbe ins Dunkel“ heißt der Entwurf.

Um den Vortragenden aus dem Gegenlicht zu befreien, verlegen die meisten Entwürfe den Altar auf eine andere Seite. Christian Gruber setzt zudem eine neue Glasfassade hinter den Altar, die aber anders als ihr Pendant keinerlei Irritation bewirkt – im Gegenteil: Je nachdem, welche Stimmung ausgedrückt werden soll, wird sie mit gedämpftem Licht unterschiedlich farbig beleuchtet. Die „Farben des Himmels“ – so der Entwurfstitel – symbolisieren beispielsweise Morgenröte oder Abendlicht. „Die Wand soll eine Sogwirkung zum Altar hin entfalten“, erklärt Gruber. „Wenn das Hören beeinträchtigt ist, muss das Visuelle umso stärker wirken.“

Neben diesen Umbauten erzielen die Studierenden mit kleinen Veränderungen große Wirkung: Beispielsweise bevorzugen einige Modelle Stuhl-Halbkreise statt hintereinander angeordneter Bänke, damit allen Schülern das Lippenlesen leichter fällt. Die Vorschläge der TUM-Studierenden bilden nun die Grundlage für die Umgestaltung der Kapelle.

Hintergrund:
Studium „Lehramt Bautechnik“
Im Studium „Lehramt Bautechnik“ werden künftigen Berufsschullehrern bautechnische, baukonstruktive und gestalterische Kenntnisse vermittelt. Der Bachelor- und der Masterstudiengang werden von der TUM School of Education, der Fakultät für Lehrerbildung und Bildungsforschung, in Zusammenarbeit mit den Fakultäten für Architektur sowie für Bauingenieur- und Vermessungswesen organisiert.

Samuel-Heinicke-Realschule
In der Samuel-Heinicke-Realschule in München-Nymphenburg können Schüler mit einer Hörschädigung die Mittlere Reife erlangen. Träger ist die Münchner Augustinum Gruppe (www.augustinum-gruppe.de).

Ansprechpartner:
Dipl.-Ing. Ludwig Steiger
Technische Universität München
Fakultät für Architektur
Telefon: 089 / 2010247
E-Mail: ludwig.steiger@lrz.tu-muenchen.de

Dipl.-Ing. Anna Gmelin
Technische Universität München
Fakultät für Architektur
Telefon: 0172 / 8302541
E-Mail: anna.gmelin@tum.de

Bilder und Informationen über alle Entwürfe zum Download:
http://mediatum.ub.tum.de/?id=1074956

Kontakt: presse@tum.de

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