Landschaftsökologie in Chile
TUM-Nachwuchsforscherin erhält Förderpreis Wissenschaft der Gregor Louisoder Umweltstiftung
16.11.2010, News
Invasive Tierarten bedrohen weltweit einheimische Ökosysteme: So verdrängten vor rund fünfzig Jahren im afrikanischen Viktoriasee ausgesetzten Nilbarsche die dortigen Fischarten massiv, Australiens Tierwelt kämpft seit Jahrzehnten gegen die explosionsartige Ausbreitung der eingeschleppten, giftigen Aga-Kröte. Eine junge Wissenschaftlerin der TU München (TUM) hat sich in ihrer Dissertation mit einem ähnlichen Fall beschäftigt: Sie hat untersucht, wie sich eine vom Menschen eingeführte Marderart auf einer chilenischen Insel ausbreitet und welche Folgen dies für das dortige Ökosystem hat. Für ihre Doktorarbeit am Lehrstuhl für Landschaftsökologie hat sie nun den mit insgesamt 5.000 Euro dotierten Förderpreis Wissenschaft der Gregor Louisoder Umweltstiftung erhalten.
Auch in den entlegensten Gebieten der Erde finden sich Spuren der Globalisierung – biologische Invasionen sind eine Folge des weltweiten Handels und Reisens. Selbst auf der abgelegenen Insel Navarino im chilenischen Kap Horn-Biosphärenreservat sind invasive Arten angekommen, darunter der Marder Mink. Ursprünglich aus Nordamerika stammend, wurde er in den 1930er Jahren zur Pelzzucht in Chile und Argentinien eingeführt. Von dort wanderte er auf die südlich gelegene Navarino-Insel – und überwand dabei schwimmend den fünf Kilometer breiten Beagle-Kanal. Was bedeutet das Hinzukommen einer neuen Tierart für die heimische Fauna?
Dieser Frage ging Dr. Elke Schüttler vom TUM-Wissenschaftszentrum Weihenstephan (Lehrstuhl für Landschaftsökologie, Betreuer: apl. Prof. Dr. Kurt Jax) in ihrer Doktorarbeit „Population ecology, impact and social acceptance of American mink (Mustela vison), a recent invasive species on Navarino Island, Cape Horn Biosphere Reserve, Chile“ nach. Sie untersuchte durch umfangreiche Feldexperimente und -beobachtungen auf der Insel Navarino jahrelang Verhalten, Beutespektrum sowie die populationsökologischen Auswirkungen des Amerikanischen Minks. Außerdem hat sie die soziale Akzeptanz der fremden Tierart bei der Bevölkerung der Insel ermittelt. Der Mink ist das einzige bodenraubende Säugetier auf der Insel – vor allem die bodenbrütenden Vögel sind daher gefährdet, da sie sich in der kurzen Zeit, seitdem es den Mink auf der Insel gibt, noch nicht an diese neue Gefährdung anpassen konnten.
Das Ergebnis: Noch wagt sich der Mink sich nicht in die Brutkolonien der Vögel. Gefährdet sind bislang vor allem einzeln nistende Küstenvögel, die an felsigen Küstenabschnitten ihre Nester in der Vegetation verstecken, unter anderem die patagonische Dampfschiffente, eine geschützte Art, die ausschließlich auf Navarino vorkommt. Durch ein Experiment mit künstlichen Eiern und Nestgelegen konnte Elke Schüttler nachweisen, dass diese Gefährdung auch alle anderen vergleichbar brütenden Arten betrifft, auch wenn diese nicht eigens untersucht werden konnten. Für die Populationskontrolle des Minks ergeben sich daraus wichtige Hinweise, in welchen Gebieten der Insel der Schutz vor dem Räuber besonders vordringlich ist.
Mit einer parallel durchgeführten Befragung ermittelte Schüttler, dass die Mehrheit der Inselbewohner eine Kontrolle des Exoten befürwortet, jedoch weniger durch Bejagung – wie sie von den chilenischen Behörden bereits aufgenommen wurde – als vielmehr durch Kastration und andere biologische Verfahren. Die Ergebnisse der Arbeit sind von unmittelbarer Relevanz für das Wildtiermanagement und den Naturschutz auf der Insel: Sie helfen, den Mink-Bestand so weit einzudämmen, dass auf Navarino lebende, seltene Tiere wie etwa die patagonische Dampfschiffente in ihrem Bestand nicht gefährdet werden.
Für ihre Dissertation wurde Elke Schüttler neben zwei weiteren Nachwuchsforschern mit dem Förderpreis Wissenschaft der Gregor Louisoder Umweltstiftung ausgezeichnet. Dieser Preis wird für herausragende praxisbezogene Abschlussarbeiten aus umwelt- und naturschutzrelevanten Studiengängen verliehen. Er ist mit 2.500 Euro Preisgeld dotiert, weitere 2.500 Euro werden dem Preisträger als zweckgebundene Unterstützung für eine Fortführung der wissenschaftlichen Tätigkeit zur Verfügung gestellt. Mit den „Förderpreisen Wissenschaft“ will die Stiftung junge Wissenschaftler ermutigen, auch Themen und Problemfelder zu bearbeiten, die nicht automatisch eine Industrie- oder Verwaltungskarriere versprechen.
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