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Schlankheitsmittel aus dem Zelllabor?

Entzündungsenzym steuert Bildung von braunem Fettgewebe

Labormaus (Bildquelle: iStockphoto.com/Andrei Tchernov)

07.05.2010, News

Ein deutsch-schweizerisches Forscherteam hat nachgewiesen, dass das Entzündungsenzym COX-2 bei Mäusen die Neubildung von sog. „braunem Fettgewebe“ anregt. Braunes Fettgewebe verwandelt Energie in Wärme. Daher haben Mäuse mit gesteigerter COX-2-Produktion einen höheren Energieverbrauch und sind schlanker. Diese Forschungsergebnisse sind jetzt in der Zeitschrift Science erschienen. Auf ihrer Basis könnte eine neuartige Methode zur Gewichtsreduktion bei krankhafter Fettleibigkeit entwickelt werden.

Pölsterchen, Hüftgold und Rettungsringe – weißes Fettgewebe formt an den bekannten Körperstellen die typischen Rundungen als Energiedepots. Genau das Gegenteil passiert im braunen Fettgewebe: Hier wird Energie nicht gespeichert, sondern in Wärme umgewandelt. Zum Leidwesen vieler kommt dieser Energiefresser beim erwachsenen Menschen jedoch nur in geringfügigen Mengen vor. Säuglinge und Winterschlaf haltende Nagetiere besitzen dagegen viel braunes Fettgewebe, hier dient es der Wärmeregulation. Forscher wissen, dass im Tierreich äußere Einflüsse die Bildung von braunem Fettgewebe anregen können. Werden Nager bei kalten Temperaturen gehalten, so bilden sich inmitten des weißen Fettgewebes Nester aus braunen Fettzellen.

Ein Wissenschaftler-Team unter der Leitung von Dr. Stephan Herzig vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg ging den molekularen Ursachen dieses Phänomens auf den Grund: Mit Unterstützung von Prof. Martin Klingenspor (Fachgebiet für Molekulare Ernährungsmedizin) und Prof. Martin Hrabé de Angelis (Lehrstuhl für experimentelle Genetik) von der TU München sowie Kollegen aus Marburg, Frankfurt und Lausanne entdeckten sie, dass im weißen Fettgewebe von Mäusen, die Kälte ausgesetzt worden waren, die Produktion des Entzündungs-Enzyms COX-2 gesteigert ist. COX-2 ist Wissenschaftlern gut bekannt, es steuert den zentralen Schritt bei der Biosynthese der Prostaglandine, entzündungsfördernder Hormone, die auch für die Schmerzentstehung verantwortlich sind.

„Unsere aktuellen Ergebnisse belegen, dass COX-2 und Prostaglandine entscheidend sind für die Neubildung von braunem Fettgewebe und damit auch für die Regulation des Körpergewichts“, fasst Stephan Herzig vom Deutschen Krebsforschungszentrum die Ergebnisse zusammen. Denn parallel zum Anstieg der COX-2-Produktion im weißen Fettgewebe stieg auch die Menge des Proteins, das biochemisch Energie in Wärme umwandelt und das daher als wichtigster Biomarker für braune Fettzellen gilt. Schalteten die Forscher dagegen COX-2 im weißen Fettgewebe ab, ließ sich das typische Erscheinungsbild von braunen Fettzellen nicht mehr durch Kälte anregen.

Auch unabhängig von Kälte entstanden Ansammlungen brauner Fettzellen im weißen Fettgewebe, wenn die Wissenschaftler bei Mäusen die COX-2-Produktion durch einen molekularbiologischen Trick ankurbelten. Diese Tiere waren schlanker und hatten ein um 20 Prozent geringeres Körpergewicht als normale Artgenossen. Auch wenn sie kalorienreich gefüttert wurden, nahmen sie nicht an Gewicht zu. „Wir konnten nachweisen, dass diese Mäuse trotz des geringeren Körpergewichts eine erhöhte Körpertemperatur und einen gesteigerten täglichen Energieverbrauch hatten“, erklärt Martin Klingenspor von der TU München.

Ältere Studien finnischer Forscher deuten darauf hin, dass auch bei Menschen ein regelmäßiger Aufenthalt in der Kälte die Wärmeproduktion von braunem Fettgewebe anregen kann. Stephan Herzig will nun prüfen, ob auch hier COX-2 die biochemische Schlüsselrolle spielt. Da sich die Bildung von braunen Fettzellen auch in der Kulturschale anregen lässt, sieht der Wissenschafter eine Möglichkeit, seine Ergebnisse praktisch umzusetzen: Seine Zukunftsvision ist, schwer übergewichtigen Personen weißes Fettgewebe zu entnehmen, in der Kulturschale die Bildung von braunen Fettzellen durch Prostaglandine anzuregen und diese zurück zu transplantieren. Damit könnte man Menschen zu einem höheren Energieumsatz und damit zu leichterem Abnehmen verhelfen.

Schätzungen gehen davon aus, dass eine geringe Menge von etwa 50 Gramm braunem Fettgewebe ausreichen würde, um den Energieumsatz eines Menschen um 20 Prozent zu steigern. Dies entspräche etwa einer Reduktion des Körpergewichts um 20 Kilo über einen Zeitraum von einem Jahr.


Publikation:
Alexandros Vegiopoulos, Karin Müller-Decker, Daniela Strzoda, Iris Schmitt, Evgeny Chichelnitsky, Anke Ostertag, Mauricio Berriel Diaz, Jan Rozman, Martin Hrabe de Angelis, Rolf M. Nüsing, Carola W. Meyer, Walter Wahli, Martin Klingenspor und Stephan Herzig: Cyclooxygenase-2 Controls Energy Homeostasis in Mice by de Novo Recruitment of Brown Adipocytes. Science, online publiziert am 6. Mai 2010, DOI: 10.1126/science.1186034

Hintergrund:
Die Forschungsarbeiten von Prof. Martin Klingenspor (Fachgebiet für Molekulare Ernährungsmedizin der TU München am Wissenschaftszentrum Weihenstephan) und Prof. Martin Hrabé de Angelis als Leiter der Deutschen Mausklinik am HelmholtzZentrum München (Lehrstuhl für experimentelle Genetik der TU München) werden vom Nationalen Genomforschungsnetz NGFN-plus gefördert. Mehr dazu: http://www.ngfn.de/index.php/ngfn_plus.html

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