Wie Roboter ein Hochhaus bauen
In Planung an der TUM: Die modernste Baustelle der Welt
17.09.2009, Aktuelle Meldungen
Gemeinsam mit dem koreanischen Gastwissenschaftler Dr. Seung Yeol Lee konzipiert ein Team um Professor Dr. Thomas Bock, Leiter des Lehrstuhls für Baurealisierung und Bauinformatik der Technischen Universität München (TUM), zurzeit die erste voll roboterisierte Hochbaustelle, die im kommenden Jahr in Korea ihren Betrieb aufnehmen soll. Auf der technisch fortschrittlichsten Baustelle der Welt sollen neuartige Roboter zum Einsatz kommen, unter anderem intelligente, künstliche Gliedmaßen, mit deren Hilfe einzelne Arbeiter tonnenschwere Bauteile packen, hochheben und in Position bringen können.
Die gewaltigen Greif- und Hebeprothesen führen die Bewegungen menschlicher Hände und Arme, durch die sie gesteuert werden, in Echtzeit aus. Entwickelt hat sie Dr. Seung Yeol Lee an der Hanyang Univerity in Seoul und später im Forschungs- und Entwicklungszentrum der Samsung Construction Group in Seoul. Sie sind Teil des ersten roboterisierten Bauvorhabens in Korea, das im Frühjahr 2010 beginnen soll und von der Samsung Construction Group umgesetzt wird. Dann sollen Roboter mit Unterstützung weniger Menschen binnen sechs Monaten ein ca. 50-stöckiges Haus im Großraum der Hauptstadt Seoul hochziehen.
Die ersten Ideen für die Konstruktion und den Einsatz von Baustellenrobotern stammen aus den 1970er Jahren. Mehr als 400 Roboter, die die Arbeit auf Baustellen unterstützen sollen, wurden seither entwickelt, aber nur etwa fünf Prozent von ihnen wurden jemals zur Marktreife gebracht und auch tatsächlich eingesetzt. In den 1980er Jahren tauchten solche ersten Bauroboter auf japanischen Baustellen auf, rührten Beton, verrichteten Aufsprüharbeiten oder transportierten Material dorthin, wo es gerade gebraucht wurde. Sie verrichteten jeweils spezialisierte Einzelaufgaben, weshalb sich ihr Einsatz nur in seltenen Fällen als ökonomisch sinnvoll erwies. Zudem war er in der chaotischen Umgebung Baustelle höchst fehleranfällig.
Als Antwort auf diese Probleme entwickelte Thomas Bock, damals Fulbright-Stipendiat in Houston, Texas, für den japanischen Markt die ersten robotergerechten Baustellen: Umgebungen, Abläufe und vorgefertigte Materialien, die für die Automation geeignet waren. „ROD“ oder „Robot Oriented Design“ heißt sein Ansatz, der in den Folgejahren genutzt und abgewandelt wurde, um immer umfassender automatisierte bis vollautomatisierte Bauvorhaben umzusetzen.
Wie in die Vertikale aufgerichtete Fertigungsstraßen – beispielsweise aus der Automobilindustrie – ziehen sich solche Baustellen quasi vollautomatisch und von selbst Stockwerk um Stockwerk hoch gen Himmel. Dabei wird mit dem Dachgeschoss begonnen, das anschließend hochgestemmt wird, um Etage nach Etage darunter zu errichten. Materiallager, -bereitstellung und -montage erledigen auf einer solchen Baustelle exakt aufeinander abgestimmte Robotersysteme. 20 solcher voll roboterisierten Bauprojekte wurden zwischen dem Beginn der 1990er Jahre und heute von Firmen wie Taisei, Takenaka, Kajima, Maeda und Kumagai umgesetzt – mehrheitlich in Japan. Professor Dr. Thomas Bock, 1994 als Stipendiat der japanischen Regierung in Japan und von der Universität Tokio zum »Kogaku hakushi« (Doctor of Engineering) promoviert, war beratend bei vielen dieser roboterisierten Bauvorhaben tätig.
Waren es zunächst ausschließlich rechtwinklige Bauwerke, die von Robotern errichtet werden konnten, sind es mittlerweile auch architektonisch komplexe und anspruchsvolle Hochbauten mit geschwungenen Fassaden und ineinander verwinkelten Elementen. Dennoch stößt das voll roboterisierte Bauen im Detail immer wieder an natürliche Grenzen. So ist der künstlich unnachahmlich feinfühlige Arbeitseinsatz des Menschen bei Sensibilität fordernden Arbeiten wie dem Verfugen und Anschließen einzelner Bauteile nie verzichtbar geworden. Das bedeutet, manche gefahrenvolle Aufgabe blieb auch auf vollautomatischen Baustellen an hochspezialisierten Bauarbeitern hängen.
Mit dem ersten voll automatisierten Bauvorhaben in Korea sollen auf einer Baustelle der neuesten Generation auch diese letzten verbleibenden Probleme behoben werden – unter anderem durch den Einsatz der neuartigen roboterisierten Gerätschaften, die Dr. Seung Yeol Lee entwickelt hat. Er bereitet zurzeit als Post Doc mit koreanischem Regierungsstipendium im Team um Professor Dr. Thomas Bock an der TUM Koreas erste Roboter-Hochbaustelle konzeptionell vor. Professor Dr. Thomas Bock unterhält als beratender Experte in Fragen der automatischen Vorfertigung von Bauteilen, der Baurobotik und -automatisierung seit mehr als zehn Jahren Kontakte ins koreanische Bauministerium und zu ausführenden Industrieunternehmen wie Samsung, Doosan und Daewoo. Zudem hält er Vorträge an den koreanischen Hochschulen Seoul National University, Hanyang University und Yonsei University.
Gerade in den Ländern Japan und Korea haben hohe Lohnkosten, Fachkräftemangel, geringe Einwanderungsquoten und Regierungsprogramme zur Entwicklung einer Hightech-Industrie beigetragen, die den Ruf dieser Länder nachhaltig prägt. Der Einsatz der roboterisierten Bauverfahren konzentriert sich in Ballungszentren mit hohen Grundstücks- und Lohnkosten. Für die Auftraggeber besonders wichtig sind hier kürzere Bauzeiten, Mängelfreiheit und aus Gründen der Außenwirkung „saubere Baustellen“. All diese Vorteile bietet das roboterisierte Bauen. So arbeiten Roboter, verglichen mit Menschen auf herkömmlichen Baustellen, extrem effizient, sauber und schnell – mit einem Tempo von bis zu 0,1 Stockwerksmetern pro Stunde.
Professor Dr. Thomas Bock sieht das roboterisierte Bauen nach dem Vorbild der Automobilindustrie zudem als einen Weg hin zu preisgünstigeren Immobilien: „So wie einst Henry Ford durch industrialisierte Produktionsprozesse die Kosten für ein Auto auf knapp ein Zehntel reduzierte und seine Wagen für den Durchschnittsamerikaner erschwinglich machte, so könnten auch industrielle Fertigungsprozesse im Hausbau Immobilien deutlich preisgünstiger werden lassen“, sagt er. Unter diesem Gesichtspunkt seien die modernen roboterisierten Bauverfahren, wie etwa Toyota sie bereits nach dem Muster des Automobilbaus anbiete, auch für andere Länder ein Vorbild.
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