EU-Projekt ChiBio
Krabbenschalen als Rohstoff für Chemikalien
02.12.2011, Aktuelle Meldungen
In dem von der EU geförderten Projekt ChiBio wollen Wissenschaftler der Technischen Universität München (TUM) und des Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik (IGB) mit internationalen Partnern neue Verfahren entwickeln, um aus chitinhaltigen Fischereiabfällen Spezial- und Feinchemikalien herzustellen.
Krabben, Krebse und Garnelen sind geschätzte Leckerbissen. Mehr als 750 000 Tonnen
Schalen dieser Krebstiere landen allein in der EU pro Jahr auf dem Müll. Dabei könnten
theoretisch auch die Schalen genutzt werden. Sie bestehen aus Chitin, einem auch in
Insekten und Pilzen vorkommenden Biopolymer aus kettenartig aneinandergereihten,
stickstoffhaltigen Zuckermolekülen. In Asien beispielsweise wird aus Garnelenschalen
bereits das Polymer Chitosan hergestellt, welches als Filter oder Folie, aber auch als
Wundauflage Anwendung findet. Die Schalen der europäischen Krebstiere enthalten
allerdings mehr Kalk, die Aufarbeitung zu Chitosan ist daher nicht wirtschaftlich.
In dem von der EU geförderten Projekt ChiBio will das Forscherteam neue Verfahren entwickeln, um die in großen Mengen als Abfall anfallenden Schalen auch hierzulande als Rohstoff für Chemikalien und neue Materialien zu erschließen. Das Konsortium mit Forschungs- und Industriepartnern aus Norwegen, Österreich, Tschechien, Irland sowie Tunesien und Indonesien setzt dabei auf einen ganzheitlichen und umfassenden Ansatz. »Nach Art einer Bioraffinerie für landwirtschaftliche Produkte wollen wir für den Abfall Krabbenschale verschiedene stoffliche und energetische Nutzungswege entwickeln oder optimieren – und so den Reststoff möglichst effizient und vollständig verwerten«, erläutert Prof. Dr. Volker Sieber, Professor für Chemie biogener Rohstoffe der TUM und Leiter der Projektgruppe BioCat des Fraunhofer IGB.
Zunächst müssen die Reste des Krebsfleisches von den Schalen entfernt werden. »Diese
Biomassereste, die aus Proteinen und Fetten bestehen, wollen wir so abtrennen, dass
wir sie direkt vergären und energetisch nutzen können«, sagt Dr. Lars Wiemann,
ChiBio-Projektleiter in Straubing. Das gereinigte Chitin kann dann mit Enzymen oder
Mikroorganismen in seine monomeren Bausteine, den stickstoffhaltigen Zucker
Glucosamin, gespalten werden. Am Fraunhofer IGB wurden bereits Chitinasen aus
Bakterien isoliert, die diese Abspaltung katalysieren. »Eine große Herausforderung wird
sein, Glucosamin zu solchen Grundbausteinen – oder Plattformchemikalien –
umzusetzen, aus denen Chemiker verschiedene neue, biobasierte Polymere herstellen
können«, erzählt Dr. Wiemann. Damit einzelne Monomere zu einem Polymer verknüpft
werden können, benötigen diese mindestens zwei funktionelle Gruppen, die katalytisch
miteinander verbunden werden können. »Hier wollen wir chemische Schritte mit
biotechnologischen Verfahren kombinieren«, ergänzt Prof. Sieber. Alle in der
Prozesskette anfallenden biobasierten Nebenprodukte sollen gemeinsam mit den
anfänglich abgetrennten Proteinen und Fetten zu Biogas als regenerativem
Energieträger vergoren werden.
Der EU-Forschungsantrag »ChiBio – Entwicklung einer integrierten Bioraffinerie für die
Aufarbeitung von chitinhaltigen Abfällen zu Spezial- und Feinchemikalien« erhielt mit
14 von 15 möglichen Punkten das beste Ergebnis in der Ausschreibung »Neue
biotechnologische Ansätze zur Umwandlung industrieller und/oder städtischer Abfälle in
Bioprodukte«. Die Fördersumme von 3 Millionen Euro wird ab November 2011 für die
Projektlaufzeit von drei Jahren bereitgestellt. Regionale Partner sind die Arbeitsgruppe
Industrielle Biokatalyse von Prof. Dr. Thomas Brück an der TU München in Garching und
die Süd-Chemie AG in Moosburg aus Bayern sowie das tschechische Unternehmen
Apronex und das oberösterreichische Energieinstitut an der Johannes Kepler Universität
Linz GmbH. Weiterhin sind beteiligt Letterkenny Institute of Technology (Letterkenny,
Irland), Agricultural University of Norway (Oslo, Norwegen), Institut National des
Sciences et Technologies de la Mer (Karthago, Tunesien), Earagail Eisc Teoranta (Carrick,
Irland), Evonik Industries AG (Essen) und Biotech Surindo PT (Cirebon, Indonesien).
Die Projektgruppe BioCat ist Teil des Wissenschaftszentrums Straubing am
Kompetenzzentrum für Nachwachsende Rohstoffe. Sie ist dem von Prof. Dr. Thomas
Hirth geleiteten Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB in
Stuttgart zugeordnet und wird von Prof. Dr. Volker Sieber, Inhaber des Lehrstuhls für
Chemie Biogener Rohstoffe der TU München, geleitet.
Kontakt:
Prof. Dr. Volker Sieber
Lehrstuhl für Chemie biogener Rohstoffe
Technische Universität München
Wissenschaftszentrum Straubing
Tel.: +49 (0)9421 187 301
E-Mail: sieber@tum.de
Lehrstuhl für Chemie biogener Rohstoffe: http://www.rohstoffwandel.de
Projektgruppe BioCat: http://www.igb.fraunhofer.de/de/kompetenzen/biocat.html
Kontakt: presse@tum.de