Vortrag
Das ‚Ökosystem’: Ursprung, Bedeutung und Fehldeutung eines zentralen Begriffs der Ökologie
Monday 20.10.2008, 16:15 - 17:45
Speaker
Prof. Dr. Josef H. Reichholf
Das ‚Ökosystem’ als Begriff wurde in den 1950er Jahren maßgeblich von den amerikanischen Ökologen Howard T. & Eugene P. Odum entwickelt. Mit einer ‚Black-Box-Betrachtung’ sollten damit die Input-Output-Bilanzen von Energie und Stoffen sowie die Wirkungsgrade der Umsetzungen quantitativ ermittelt werden. Das Konzept stellte den entscheidenden Wendepunkt von der deskriptiven und sich in ‚Beziehungsgeflechten’ verlierenden Ökologie zu einer in Modelle fassbaren, analytischen Wissenschaft dar. In Verbindung mit Natur- und Umweltschutz wurde die Ökologie in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts eine der Leitwissenschaften. Teile davon mutierten jedoch zu einer ‚Erlösungs-Ideologie’, der zufolge alles „öko“ sein oder wieder werden musste. Eine besondere Wandlung in der öffentlichen Wahrnehmung machte der Begriff des Ökosystems durch. Er wurde zu einer Art von Super-Organismus, der „geschädigt, belastet und gefährdet“ werden konnte oder auch „zusammenbrach“ als ob es festgelegte Funktions- und Organisationsformen in ‚den Ökosystemen’ geben würde. Auch die wissenschaftliche Ökologie konnte sich dieser Ideologisierung nicht immer entziehen. Die Folgen waren und sind Fehldeutungen, etwa dass Ökosysteme „Leistungen“ zu erbringen haben, und auch massive Vertrauensverluste in der gebildeten Öffentlichkeit („Ökologen und andere Ideologen“). Besonders bedenklich stimmen statische Grundhaltungen („Schöpfung“), die der Dynamik der Natur und der Evolution widersprechen. Ökologie sollten wir, wie es der berühmte Ökologe G. Evelyn Hutchinson bereits vor mehr als einem halben Jahrhundert ausgedrückt hatte, als das o f f e n e Spiel des Lebens auf den Zeit-Bühnen der Evolution betrachten.
Organizer
Studienfakultät Landschaftsarchitektur und Landschaftsplanung
Contact
Prof. Dr. Jörg Pfadenhauer, pfadenha_at_wzw.tum.de