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Physiker erzeugen quantenmechanische Superposition mit einem Spiegel:

Ein Photon und sein quantenmechanisches Spiegelbild

Bild und Spiegelbild eines Photons

05.04.2011, Pressemitteilungen

Stehen wir vor einem Spiegel beeinflusst der Spiegel die gespiegelte Bewegung in keinster Weise. Für Quantenteilchen ist das Leben komplizierter. In einem spektakulären Experiment in den Labors der Universität Heidelberg erweiterte eine Gruppe von Physikern aus Heidelberg, München (TUM und LMU) sowie der TU Wien eine Gedankenexperiment von Einstein und schaffte es, den Unterschied zwischen einem Photon und seinem Spiegelbild zu verwischen. Die Ergebnisse dieses Experiments veröffentlichten sie jetzt in der Online-Ausgabe der Fachzeitschrift Nature Physics.

Wenn ein Atom Licht emittiert, das heißt ein Photon in eine bestimmte Richtung aussendet, so erfährt es einen Rückstoß in der entgegengesetzten Richtung. Kann man das Photon messen, so kann man auch die Bewegung des Atoms bestimmen. Ist aber in nächster Nähe zum Atom ein Spiegel platziert, so gibt es zwei mögliche Wege, auf denen das Photon den Betrachter erreicht haben kann: Es könnte direkt in der Richtung des Betrachters emittiert oder zunächst in die entgegengesetzte Richtung und dann zum Betrachter reflektiert worden sein.

Ein Forscherteam unter der Führung von Markus K. Oberthaler, Professor am Kirchhoff-Institut für Physik der Universität Heidelberg positionierte ein angeregtes Atom wenige Millionstel Meter vor einen vergoldeten Spiegel und beobachteten den Zustand des Atoms nach der spontanen Emission eines einzelnen Photons. Wird das Photon senkrecht zum Spiegel emittiert, so kann ein Beobachter aufgrund der prinzipiellen Beschränkungen der Quantenmechanik – zeitliche und räumliche Unschärfe – nicht unterscheiden, ob das Photon zuerst zum Spiegel geflogen ist, und von diesem reflektiert wurde, oder direkt vom Atom zum Beobachter flog. Dies ist quantenmechanisch gesehen gleichbedeutend mit einer Superposition beider Zustände.

Das Atom erhält jedoch einen Rückstoß von dem emittierten Photon, und, da es – bildlich gesprochen – nicht unterscheiden kann, in welche Richtung das Photon flog, bekommt das Atom den Rückstoß in zwei gegensätzliche Richtungen. Das Atom bewegt sich somit gleichzeitig in zwei unterschiedliche Richtungen – etwas, was in der makroskopischen Welt außerhalb jeglicher Vorstellung liegt. Doch dieser besondere Zustand des Atoms konnte in einer speziellen Messapparatur nachgewiesen werden. Erfolgt die Emission des Photons parallel zum Spiegel, können die verschiedenen Zustände sehr wohl unterschieden werden, und es entsteht kein Superpositionszustand.

„Wenn der Abstand zwischen dem Atom und dem Spiegel sehr klein ist, ist es physikalisch unmöglich, zwischen diesen beiden Wegen zu unterscheiden", erklärt der Heidelberger Physiker Jiri Tomkovic. Das Photon und sein Spiegelbild können nicht mehr klar unterschieden werden, und quantenphysikalisch gesehen bewegt sich das Atom sowohl auf den Spiegel zu als auch vom Spiegel weg. „Das mag paradox klingen, und es ist sicherlich für makroskopische Objekte unmöglich, doch in der Quantenphysik, ist das ein bekanntes Phänomen.“ „Diese Ungewissheit über den Zustand des Atoms bedeutet nicht mangelnde Messgenauigkeit“, betont Jörg Schmiedmayer, Professor an der TU Wien. „Es ist eine grundlegende Eigenschaft der Quantenphysik. Das Teilchen selbst hat noch nicht entschieden, in welchem der beiden möglichen Zustände es ist“. Die beiden Zustände des Atoms, Bewegung auf den Spiegel zu und von ihm weg, können mittels eines Gitters aus Laserlicht kombiniert werden. Die auftretende Interferenz zeigt, dass das Atom tatsächlich beide Zustände zugleich eingenommen hat.

Das erinnert an das berühmte Doppelspalt-Experiment, bei dem ein Lichtteilchen auf eine Platte mit zwei Schlitzen trifft und aufgrund seiner wellenförmigen quantenmechanischen Eigenschaften durch beide Schlitze gleichzeitig geht. Schon Einstein erklärte, dass dies nur dann möglich ist, wenn es keine Möglichkeit gibt festzustellen, welchen Weg das Teilchen tatsächlich gewählt hat. Sobald es theoretisch einen Weg zur Bestimmung der Bahn des Teilchens gibt, bricht die quantenmechanische Überlagerung zusammen.

„In unserem Fall spielen die Photonen eine ähnliche Rolle wie der Doppelspalt“, erklärt Markus K. Oberthaler Professor an der Universität Heidelberg. „Wenn das Licht uns prinzipiell etwas über die Bewegung des Atoms sagen kann, dann ist die Bewegung eindeutig bestimmt. Wenn dies nicht entscheidbar ist, ist das Atom in einem Superpositionszustand, der Kombination beider Möglichkeiten. Und diese grundlegende Unentscheidbarkeit wird durch den Spiegel garantiert.“

Feststellen zu können, unter welchen Bedingungen solche Quanten-Überlagerungen entstehen, ist in der Quantenphysik sehr wichtig geworden. Unter anderem sind sie ein fundamentaler Baustein für die Entwicklung von Quantencomputern. „Das Faszinierende an diesem Experiment ist die Möglichkeit der Schaffung eines Superpositionszustands nur mit einem Spiegel, ohne externe elektromagnetische Felder“, sagt Martin Kiffner, Physiker an der TU München und verantwortlich für quantenmechanische Modellrechnungen im Rahmen des Experiments. „Auf sehr einfache Art und Weise können wir die Unterscheidung zwischen dem Photon und seinem Spiegelbild verschwimmen lassen.“

Original publication:

Single spontaneous photon as a coherent beamsplitter for an atomic matter-wave Jirí Tomkovic, Michael Schreiber, Joachim Welte, Martin Kiffner, Jörg Schmiedmayer and Markus K. Oberthaler Nature Physics, Advanced online publication, 3 April 2011, DOI: 10.1038/NPHYS1961 

Kontakt: presse@tum.de

Mehr Information

http://einrichtungen.physik.tu-muenchen.de/quantumdynamics/

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