Das Nagoya Protokoll und der Umgang mit genetischen Ressourcen an der TUM
Einführung und Definitionen
Das Nagoya Protokoll* zum internationalen Übereinkommen über die biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity, CDB, 1992) wurde im Jahr 2010 beschlossen. Es regelt den Zugang zu genetischen Ressourcen und die ausgewogene und gerechte Aufteilung der Vorteile, welche sich aus der Nutzung der genetischen Ressourcen oder von darauf bezogenem traditionellem Wissen ergeben (Access and Benefit Sharing, ABS).
Die zentrale Prämisse des Nagoya Protokolls ist es, dass genetische Ressourcen kein Allgemeingut sind und jedes Land selbst die Rechte an seinen genetischen Ressourcen und dem lokalen traditionellen Wissen darüber hält. Die Vertragsstaaten des Nagoya Protokolls haben sich verpflichtet, transparente Prozesse einzurichten, um Nutzerinnen und Nutzern (auch aus dem Ausland) den Zugang zu genetischen Ressourcen zu ermöglichen und gleichzeitig die gerechte Aufteilung der Vorteile sicherzustellen sowie die entsprechenden Regeln anderer Vertragsstaaten zu beachten.
Zu genetischen Ressourcen zählt jedes Material pflanzlichen, tierischen, mikrobiellen oder sonstigen Ursprungs, das Erbinformationen (DNA oder deren Derivate), Proteine oder RNA enthält, beispielweise Hölzer, Kräuter, Tiere, Viren, Bakterien, Extrakte und Bodenproben. Traditionelles Wissen wird als Wissen indigener und ortsansässiger Gemeinschaften zur Verwendung einer genetischen Ressource und deren Wirkungsweisen definiert. Nutzung wird als Forschungs- und Entwicklungstätigkeit an der Zusammensetzung oder Funktion einer genetischen Ressource, einschließlich nicht kommerzieller Forschung an öffentlichen Hochschulen und Forschungseinrichtungen, definiert.
Dementsprechend sind Forschende verpflichtet, eine Zugangserlaubnis des Landes, aus dem die genetische Ressource ursprünglich stammt, noch vor dem Projekt- bzw. Nutzungsbeginn einzuholen (typischerweise in Form eines Prior Informed Consent, PIC). Zudem müssen unter Umständen auch Vorteilsausgleichsregelungen mit dem jeweiligen Land, ggfs. aber auch mit indigenen und lokalen Bevölkerungsgruppen (bgzl. traditionellem Wissen) vereinbart werden (typischerweise in Form von Mutually Agreed Terms, MAT).
Die ABS-Dokumente, u.a. PIC und MAT, sollen von Forschenden an das ABS Clearing House übermittelt werden. Das ABS Clearing House ist eine Plattform für die Informationsbereitstellung und den Informationsaustausch in Bezug auf ABS in den Nagoya-Vertragsstaaten und wird aus dem Sekretariat der CBD betrieben.
Beim Verstoß drohen Nutzungsverbot und hohe Bußgelder, die Forschende persönlich treffen (s. unten).
Umsetzung in der EU und in Deutschland
In der EU regelt die Verordnung VO (EU) 511/2014 über
Maßnahmen für die Nutzer zur Einhaltung der Vorschriften des Protokolls von
Nagoya über den Zugang zu genetischen Ressourcen und die ausgewogene und
gerechte Aufteilung der sich aus ihrer Nutzung ergebenden Vorteile in der Union
die Umsetzung des Nagoya Protokolls und ist seit Mai 2014 in Kraft. In
Deutschland wird die Nutzung genetischer Ressourcen im Gesetz zur Umsetzung der
Verpflichtungen aus dem Protokoll zu Nagoya und zur Durchführung der VO (EU)
511/2014 geregelt. Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) wurde von der Bundesregierung mit der Umsetzung dieses
Gesetzes beauftragt und ist die nationale Kontaktstelle (National Focal Point) für das Nagoya Protokoll in
Deutschland. Das BfN stellt umfangreiche Informationen zum Nagoya Protokoll zur Verfügung und berät Nutzerinnen und Nutzer. Darüber hinaus führt das BfN Kontrollen durch.
Laut der VO (EU) 511/2014 sind Nutzende in der EU verpflichtet
- sich an die jeweiligen Regelungen der Ursprungsländer zum Zugang und Vorteilsausgleich zu halten (z.B. vor der Nutzung PIC und MAT einzuholen);
- die Berechtigungen und Zugänge zu genetischen Ressourcen sorgfältig zu dokumentieren und
- die jeweilige Zugangserlaubnis (z.B. PIC) und den jeweils verhandelten bzw. erfolgten Vorteilsausgleich anzuzeigen. Dafür wird eine Sorgfaltspflichterklärung (Declaration of Due Dilligence) im DECLARE-Portal der EU eingereicht.
Sobald ABS-Dokumente im DECLARE-Portal eingereicht werden, wird das BfN automatisch benachrichtigt und prüft ggfs. die Angaben im DECLARE-Portal.
ABS-Unterlagen müssen 20 Jahren sicher aufbewahrt werden. Umfangreiche Informationen sind auf der entsprechenden Webseite der Europäischen Kommission (EC) zu finden sowie im Leitfaden zum Anwendungsbereich der VO 511/2014 der EC.
Genetische Ressourcen der EU-Mitgliedstaaten sind ausgenommen und können ohne Weiteres genutzt werden. Gleichzeitig müssen Nutzende von genetischen Ressourcen aus den Ländern, die das Nagoya Protokoll nicht unterzeichnet bzw. ratifiziert haben (z. B. aus den USA), laut der EU-Verordnung die nationalen Regelungen bzgl. Nutzung genetischer Ressourcen und ABS beachten.
Wenn genetisches Material an andere Nutzerinnen und Nutzer übertragen wird, müssen ABS-Unterlagen angepasst werden. Wenn genetisches Material von anderen Nutzenden erhalten wird, müssen die ABS-Unterlagen ggfs. von anderen Nutzenden angefragt werden. Es muss geprüft werden, ob die ABS-Unterlagen die geplante Nutzung umfassen. Falls dies nicht der Fall ist, müssen neue ABS-Unterlagen vor dem Nutzungsbeginn eingeholt werden. Das betrifft auch Nutzende in den Ländern, die die Nutzung und Weitergabe von Nagoya-relevanten genetischen Ressourcen zulassen, aber selbst kein Vertragsstaat des Nagoya-Protokolls sind und Nutzende zum Einholen von ABS-Unterlagen nicht verpflichten (z.B. die USA). Auch für diese Materialien sind für die Nutzung in Deutschland und in der EU ABS-Unterlagen (z.B. PIC und MAT) notwendig.
Die DFG hat 2021 als Hilfestellung für Forschende die Erläuterungen zum Umgang mit den rechtlichen Vorgaben des Nagoya Protokolls und der Verordnung (EU) Nr. 511/2014 in Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen veröffentlicht. Zudem bietet auch der German Nagoya Protocol HuB (Hilfe und Beratung)
ausführliche Informationen und Beratung zum Thema Umsetzung von Pflichten aus dem
Nagoya Protokoll an Hochschulen und Forschungseinrichtungen.
Sanktionen bei Nichteinhaltung der auf Nagoya-bezogenen Regelungen
Forschende sind für die Einhaltung der aus dem Nagoya
Protokoll entstehenden Pflichten selbst verantwortlich. U.a. obliegt Nutzerinnen
und Nutzern die Verantwortung für die Einholung der ABS-Dokumente. Bei Verstößen drohen u.a. die sofortige Untersagung bzw. das sofortige Verbot für die Nutzung genetischer Materialien und aus deren Nutzung gewonnener Ergebnisse (auch für wissenschaftliche Veröffentlichungen) sowie hohe Bußgelder, die Forschende persönlich treffen (Bußgeldhöhe in
Deutschland: bis zu 25.000 € bei Fahrlässigkeit und bis 50.000 € bei Vorsatz; Bußgeldminderung
bei Einholung nachträglicher Genehmigung möglich). Herkunftsländer genetischer Ressourcen können auch eigene Sanktionen erlassen, die Forschende aus Deutschland und aus der EU in den jeweiligen Ländern treffen können.
Umgang mit genetischen Ressourcen an der TUM
Nutzenden genetischer Ressourcen an der TUM wird empfohlen, sich bereits in
der Projektplanungsphase mit nationalen bzw. lokalen ABS-Regelungen vertraut zu machen, die im Herkunftsland
der genetischen Ressourcen gelten, und ggfs. Kontakt mit einer nationalen
Kontaktstelle im Herkunftsland (National Focal Point) aufzunehmen. Die entsprechenden ABS-Prozesse können viel Zeit in
Anspruch nehmen, daher raten wir, sich frühzeitig über die
notwendigen Schritte zu informieren. Ausführliche Informationen zu den nationalen Prozessen und Kontaktstellen werden vom ABS Clearing House zur Verfügung gestellt.
Anschließend
müssen entsprechende ABS-Dokumente (z.B. PIC und MAT) eingeholt
werden. Erst nach diesem Schritt darf die Nutzung beginnen. Zudem können an der TUM zum Teil bereits vor dem Projektbeginn für die Projektdurchführung notwendige Verträge, u.a. Kooperationsverträge, Forschungs- und Entwicklungsverträge und Materialtransferverträge, erst nach der Vorlage von vollständigen ABS-Unterlagen und Genehmigungen bearbeitet und abgeschlossen werden. Daher sind die frühestmögliche Klärung der ABS-Lage und die frühzeitige Einholung von ABS-Unterlagen notwendig.
Während der Projektlaufzeit sollen dann entsprechende Sorgfaltspflichterklärungen bei der EU über das DECLARE-Portal von Nutzenden eingereicht werden und ggfs. der jeweilige Vorteilausgleich erfolgen.
Ansprechpartner:innen an der TUM
TUM ForTe: Frau Olga Malets
TUM School of Life Sciences (LS): Herr Andreas Printz
TUM School of Medicine and Health (MH): Herr Joachim Grammer, Herr Martin Schönfelder
TUM School of Engineering and Design (ED): Frau Birgit Vierling
TUM School of Natural Sciences (NAT): Herr Günther Woehlke
TUM School of Campus Straubing (TUMCS): Frau Marina Zapilko
Informationen und Quellen
Nagoya Protocol on Access and Benefit Scharing (ABS): https://www.cbd.int/abs/
ABS Clearing House: https://absch.cbd.int/en/
Informationen des Bundesamts für Naturschutz (BfN): https://www.bfn.de/nagoya-protokoll
German Nagoya Protocol HuB (Hilfe und Beratung): https://www.nagoyaprotocol-hub.de/?lang=de
Verordnung (VO) EU 511/2014: EU-Verordnung zur Umsetzung des Nagoya-Protokolls: https://eur-lex.europa.eu/legalcontent/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:32014R0511&from=DE
Durchführungs-VO EU 2015/1866: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:32015R1866&from=DE
Leitfaden zum Anwendungsbereich der EU-Verordnung 511/2014: https://eur-lex.europa.eu/legalcontent/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:52021XC0112(02)&from=E (English Version: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/PDF/?uri=CELEX:52016XC0827(01))
Gesetz zur Umsetzung der Verpflichtungen aus dem Nagoya-Protokoll und zur Durchführung der VO (EU) 511/2014: https://www.gesetze-im-internet.de/nagprotumsg_euv511_2014dg/NagProtUmsG_EUV511_2014DG.pdf
DFG Erläuterungen zum Nagoya-Protokoll für Forschende: ttps://www.dfg.de/download/pdf/dfg_im_profil/gremien/senat/biologische_vielfalt/erlaeuterungen_entwicklungsvorhaben_de.pdf
Schreiben vom SVP Kramer an Dekanninen und Dekane der TUM zum Nagoya Protokoll
Zusammenfassung Folien "Das Nagoya Protokoll und der Umgang mit genetischen Ressourcen an der TUM"
---
*das Protokoll von Nagoya über den Zugang zu genetischen Ressourcen und zu darauf bezogenem traditionellem Wissen sowie die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus ihrer Nutzung ergebenden Vorteile, s. https://www.cbd.int/abs/.
contact: olga.malets@tum.de